Wand und Boden: Tu-gut-Philosophen
■ Kunst in Berlin jetzt: Trockel, Gilbert & George, Oppenheim, Edmier
Fury, Maculata, Hannah und Leopoldo heißen die Hündchen, die Rosemarie Trockel fotografiert hat, und sie sind alle miteinander BastardInnen. Offensichtlich hat die in Köln lebende Künstlerin Promenadenmischungen lieb, selbst das in Bronze gegossene „Gewohnheitstier (betrunkener Hund)“ trägt nur grob die Züge eines Dackels, ansonsten liegt die Skulptur wie eine Wurst auf dem Boden der Galerie Springer daniedergewalzt, das Partyhütchen hängt ihr schlapp über die Ohren. Trotzdem ist das Elend unverkäuflich. Im Nebenraum erkennt man, wie wenig die Fotografien sich mit Metaphern fürs vermenschlichte Allgemeinwesen à la William Wegmans Hundephantasien begnügen. Die „Bastardos“-Serie zeigt zwar Straßenköter in existentiellen Ruheposen, zugleich aber sind die Bilder an französischen Foto-Ikonen der Nachkriegszeit angelehnt – Cartier-Bresson, Brassai, Doisneau. Zuletzt bekommt die Vermischung eine feministische Dynamik, die bei Trockel sehr viel ironischer und gebrochener ausfällt als in der Abarbeit ihrer Kolleginnen: „What it is like to be what you are not“ zeigt auf acht Fotogravüren in zartes Schwarzweiß gebettete Spinnennetze. Fäden, die sich perfekt ineinander verweben. Naturstrick. Sie werden von einem Benjamin-Zitat begleitet, dessen Umkehrschluß lautet: „Eine solche Gewißheit vom kunstreich gewundenen Knäuel, das wir abspulen – ist das nicht das Glück jeder zumindest prosaförmigen Produktivität?“
Bis 29. 7., Mo.–Fr. 14–19, Sa. 11–14 Uhr; Fasanenstraße 13
Graue alte Männer, die, von Kotsäulen umrankt, ihre Slips runterlassen – ein Skandal ist das nicht. Zu schillernd und doch fein sind die drei Wandtafeln „Naked Suit“, „Naked Shit“ und „Eight Shits“ von Hand nachkoloriert, zu dekorativ ist die Scheiße als Ornament in Szene gesetzt; zu unmittelbar verweist das Arrangement auf Kirchenfenster und Formen der Heiligendarstellung – zu religiös agiert das englische Künstlerpärchen Gilbert & George wie freundliche Türdrücker im Namen der Aufklärung, der das Recht auf Darstellung für die Freiheit der Kunst genügt. Darin sind die beiden modern geblieben, auch im flott postmodernen Körper-Spiel: „Wenn ein Bild Informationen gibt, gewinnt der Betrachter dadurch Verständnis für bestimmte Sachverhalte des Lebens. Und wer Verständnis hat, wird toleranter. Und wer toleranter wird, liebt mehr. Und von der Liebe hängt doch alles ab, Liebe führt zur Erneuerung.“ So jedenfalls faßt George die Tu-gut-Philosophie eines bald 30jährigen Künstlerlebens zusammen. Solcherart Camp begegnet man in Berlin häufiger: Martin von Ostrowski wandelt als goldene Litfaßsäule vor dem verhüllten Reichstag, und Eva & Adele sind als Engelsflügel tragende Botschafter des Schönen auf jeder Vernissage unterwegs.
Bis 29. 7., Di.–Fr. 11–13, 15–18.30 Uhr, Sa. 11–14 Uhr, Galerie Sonne, Kantstraße 138
Für die Galerie Anselm Dreher, die sich Minimal-art verschrieben hat, sind die Räume ungewöhnlich vollgestopft. Dennis Oppenheim benutzt die reduzierte Formensprache der 60er Jahre in einem Pop-Mix, der zwischen röhrendem Hirsch, brennendem Buddha, Stahl und Video keinen Unterschied macht. In jedem Objekt steckt ein bißchen Gewalt, man muß nur rütteln und schütteln, bis sie hervorbricht. So etwa die Eingangs-Installation: Oppenheim hat einen Satz Kerzen nach der Form eines meditierenden Grunge-Jungen gegossen. Eine davon brennt nun unter einem überdimensionalen Löffel voll Mehl, das nicht recht schmelzen will. Ein Gruß an Kurt Cobain. Auch aus dem Hirschgeweih nebenan brennt es, und wer Hirsch und Gas zusammenzählen kann, der kommt bei – nein, nicht Deutschland, sondern bei Jannis Kounellis heraus, dessen flammende Stahlensembles Oppenheim hier als Kitsch-Kunst karikiert. Die Installation „Stutter Pent“ läßt Plexiglas-Worte wie zum Beispiel „Kkkill“ im gestümmelten Stottercode an Stangen rotieren, die Cady Noland sonst in sehr viel verschlankterer Form benutzt – hier wirkt das ganze Szenario wie ein Kommentar auf die komplexbeladen repolitisierte Sprache der Kunst: Angst und Schrecken durch pc. In seiner Beißwut erinnert der mittlerweile 57jährige New Yorker an Martin Kippenberger. Daß er es besser kann, zeigt ein Video, bei dem das Stottern synchron von rhythmischen Wellen begleitet wird, minimal und glänzend.
Bis 29. 7., Di.–Fr. 14–18, Sa. 11–14 Uhr, Pfalzburger Str. 80
Den letzten emanzipatorischen Schliff der GenerationX verpaßt Keith Edmier seiner Installation „nowhere (yellow)“ in der Galerie neugerriemscheider. Aus der Fensterfront dringt Kunstharz, klafft wie eine Wunde in der Mitte auseinander und schlägt damit „die Brücke zwischen Bruce Nauman und David Cronenberg“, so jedenfalls die Auslegung seines Galeristen. In der Tat arbeitet Edmier als Effekt-Spezialist für Hollywood und hängt künstlerisch der Spät-Sixties-Kindheit hinterher. Auf einer frühen Fotomontage hat er sein eigenes Baby-Konterfei in die Arme von Janis Joplin kopiert, weil er sie lieber zur Mutter gehabt hätte. Die Skulptur „siren“ dagegen verzahnt Erinnerungs- und Arbeitswelt. Edmier hat eine Fabriksirene nachgebaut, mit der die Menschen in seiner Heimatstadt Chicago morgens ins Werk gelockt wurden. Seine aus dem Industriezeitalter herübergeretteten Schalltrichter sehen indes alienartig aus, die Mutter (schon wieder), mit der das Ding am Boden festgemacht ist, klafft an der Verschraubung wie Eingeweide auf, aus denen Aluminium geflossen und verhärtet ist. Auch bei den Schallöffnungen kann man nicht entscheiden, ob das Gerät nicht eher einem Schlund gleicht.
Di.–Sa. 11–18 Uhr, Goethestraße 73
Harald Fricke
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