■ Walter Momper wird in der Berliner SPD antreten: Comeback nach dem tiefen Fall
Heute wird der frühere Regierende Bürgermeister von Berlin, Walter Momper, offiziell verkünden, daß er als Spitzenkandidat der SPD für die nächsten Berliner Wahlen antritt. Die Kaffeesatzleser in der Berliner Lokalpresse haben recht behalten. Allein die Tatsache, daß der Kreuzberger wieder (s)einen roten Schal trägt, wurde in den vergangenen Tagen als Indiz dafür gewertet, daß der heute ausgerechnet in der berüchtigten Berliner Immobilienbranche Tätige in den Startlöchern steht. König Momper ließ sich hofieren – und schwieg hartnäckig, dementierte aber auch nicht.
Doch sein Markenzeichen von ehedem wird kaum ausreichen, das durch den Rücktritt Ditmar Staffelts entstandene Machtvakuum in der Berliner SPD auszufüllen. Momper ist ein ausgeprägter Machtmensch und wittert gute Chancen, für die kopflosen Sozialdemokraten ins Rennen zu gehen.
Immer wieder wird in Berlin der Ruf nach dem starken Mann laut, der die Sozis aus der Großen Koalition mit der CDU herausführt und gar noch eine Vision für die Hauptstadt aus dem Ärmel zaubert – zuletzt im Sommer, als Edzard Reuter als SPD-Spitzenkandidat gehandelt wurde. Doch auch Mompers Kandidatur zeigt nur, wie programmatisch schwachbrüstig und personell ausgezehrt die Genossen an der Spree sind.
Von seinem Glanz von ehedem wird Momper nicht zehren können. Zu tief war der Fall nach dem Scheitern der ewig zerstrittenen rot-grünen Koalition, zu autoritär knebelte Momper während seiner Amtszeit Partei und Regierung. Den Zenit seiner Karriere im November 1989 hatte Momper in den darauffolgenden Monaten unbemerkt überschritten. Zunehmend selbstherrlich und autokratisch regierte er mit einem Kreis von engen Vertrauten und leitete den Ausverkauf der Innenstadt an Investoren ein. Die rot-grüne „Jahrhundertchance“ war kaum mehr als ein Lippenbekenntnis.
Die Berliner dankten ihm das ungeliebte Bündnis, indem sie der SPD bei den ersten Gesamtberliner Wahlen im Dezember 1990 das schlechteste Ergebnis der Nachkriegszeit bescherten. Daß Momper dann ausgerechnet einen Job bei dem Berliner Baulöwen Ellinghaus annahm, gab auch den Genossen den Rest. All das ist in Berlin nicht vergessen.
Erstmals will der Berliner Landesverband der SPD seinen Spitzenkandidaten durch eine Urwahl küren, und der Mann mit dem roten Schal wird mindestens eine ernsthafte Konkurrentin haben: Sozialsenatorin Ingrid Stahmer. Noch fehlt es der Sozialpolitikerin an Kontur, doch selbst Diepgen begreift sie als Herausforderung. Sie wird jetzt unter Beweis stellen müssen, daß sie tatsächlich für eine sozialere Politik und einen anderen Führungsstil steht. Sollte ihr das gelingen, läge darin eine Chance für die Berliner SPD – und die Stadt. Walter Momper erfüllt allenfalls das Bedürfnis nach dem starken Mann. Kordula Doerfler
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