: Wale werden zu Makrelen
Norwegische Schmuggler umgehen das Exportverbot für Walfleisch. Einige sind jetzt aufgeflogen, weil sie sich gar zu blöd angestellt haben ■ Aus Oslo Reinhard Wolf
Seit 1986 darf kein Walfleisch aus Norwegen exportiert werden. Japan hat seit 1992 ein Einfuhrverbot für Walprodukte. Norwegen behauptet, seinen Walfangschiffen aus „wissenschaftlichen Gründen“ das international verbotene Harpunieren der Wale weiterhin zu gestatten. Nicht etwa des schnöden Mammons wegen. Jetzt flog auf, was Gerüchte schon lange kolportieren: Es gibt einen großangelegten Walfleischschmuggel von Norwegen nach Japan.
Bereits am 6. April wurden im Hafen der japanischen Hauptstadt zwei Container mit Walfleisch beschlagnahmt. Beide Regierungen schafften es, die Beschlagnahme drei Wochen lang geheimzuhalten. Erst am Freitag berichtete die Osloer Tageszeitung VG die Geschichte von einem verzweifelten norwegischen „Fischhändler“, der in seinem Hotelzimmer in Tokio belastende Papiere verbrannte und durch die Toilette zu spülen versuchte, als schon japanische Polizei an die Tür klopfte. Dieser Schmuggelversuch war an unverzeihlicher Dummheit gescheitert.
Hunderte von Tonnen Walfleisch aus den international geächteten norwegischen Fängen der letzten Jahre türmen sich derzeit – offiziell – unverkäuflich in den Kühlhäusern des Landes, während auf dem japanischen Feinschmeckermarkt rund 700 Mark für ein Kilo der heißbegehrten Mangelware geboten werden. „Irgendwann mußte so etwas passieren“, sagt Ulf Ellingsen von der Lofoteninsel Skrova. „Wer läßt sich auf Dauer so eine Chance entgehen? Es gibt kaum etwas Wertvolleres, das sich aus Norwegen schmuggeln läßt.“ Er sitzt selbst auf einem Lager von 300 Tonnen Walfleisch, will aber selbst nichts gewußt haben. Doch die Information, daß es Schmuggel geben sollte, brodelte schon lange in der Gerüchteküche der norwegischen Fischer. Und einer, der in das Konglomerat von Briefkastenfirmen verwickelt ist, das hinter dem jetzt aufgeflogenen Schmuggel steht, protzte schon länger ungeniert mit angeblichem Walfleischschmuggel. Die Ermittlungsbehörden interessierten sich nicht sonderlich dafür.
Die sechs Tonnen jetzt beschlagnahmten Walfleischs sollen nur Teil eines vereinbarten Exportgeschäfts von 60 Tonnen gewesen sein, das den Händlern 40 bis 50 Millionen Mark gebracht hätte. Der Wal war als Makrele getarnt – davon gehen jährlich über 10.000 Container von Norwegen nach Japan. Die Sache ist nur aufgeflogen, weil die Container über Vietnam geschleust wurden – „das war absolut nicht klug, ein solches Land als Transitland für eine Ladung dieser Art zu gebrauchen“, soll es in einem von VG zitierten internen Papier der Schmuggler selbstkritisch heißen. Im ganzen letzten Jahr wurden nur zwei Container Fisch von Norwegen nach Vietnam exportiert. Als die Ladung dort auch noch hängenblieb und über eine zusätzlich eingeschaltete US-Briefkastenfirma nach Japan gelangte, wurde der dortige Zoll aufmerksam: Der Umweg über Vietnam hatte die Ladung „Makrelen“ so teuer gemacht, daß die Frachtkosten höher gewesen wären als der Wert der angeblichen Ladung. Das Auffliegen der Schmuggelei kommt weder Norwegens Walfangbranche noch der Regierung in Oslo sehr gelegen. Kaum nachvollziehbar erscheint, daß ein Exportverbot des in nur wenigen Kühlhäusern zentral lagernden Walfleischs nicht lückenlos überwacht werden könnte – so man nur will. Nun muß die Branche damit rechnen, daß die Schmuggelei zusätzliche Aufmerksamkeit auf den norwegischen Walfang lenkt, wenn auf der nächsten Jahrestagung der Internationalen Walfangkommission IWC im Juni in Aberdeen das Dauerthema mal wieder auf der Tagesordnung steht.
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