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Waldschutz in NiedersachsenDer Streit um die Buchen

Greenpeace wirft Niedersachsen vor, für alte Wälder zu wenig Schutzgebiete auszuweisen. Die Landesregierung verweist auf ihr flächendeckendes Konzept.

Buchen sollst du suchen. Hier sind welche. Bild: dpa

HAMBURG taz | Die Eiche gilt zwar als typisch deutsch, aber ohne menschliche Eingriffe gäbe es hierzulande viel mehr Buchenwälder. Über den Schutz des weit verbreiteten Laubbaums mit dem lateinischen Namen Fagus zofft sich Greenpeace gerade heftig mit der niedersächsischen Landesregierung.

Wohl auch befeuert von der bevorstehenden Landtagswahl poltert Niedersachsens Forstminister Gert Lindemann (CDU), Greenpeace sei „auf dem Holzweg“. „Leider“ hätten die Umweltschützer „aus dem Scheitern ihrer Kampagne in Bayern nichts gelernt“. Greenpeace behauptet, die schwarz-gelb geführte Landesregierung unterlaufe die nationale Artenschutzpolitik.

„Es geht im Kern um eine Grundsatzdiskussion des Waldnaturschutzes“, sagt Lindemanns Sprecher Stefan Fenner. Dem Land sei flächendeckende ökologische Bewirtschaftung eben wichtiger als der Totalschutz einzelner Gebiete.

Bundesweit bedecken Buchen heute knapp 5 Prozent der Landesfläche, Wald mit über 160-jährigen Buchen bloß ein Viertelprozent. Greenpeace fordert, dass nicht noch mehr alte Buchen gefällt werden. „Wir wollen verhindern, dass dieses Tafelsilber verschwindet“, sagt Gesche Jürgens von Greenpeace. Außerdem setzt sie sich dafür ein, dass 10 Prozent der Wälder in öffentlicher Hand nicht mehr genutzt werden – das fordert auch die Bundesregierung in ihrer nationalen Biodiversitätsstrategie. Dafür sollen Buchenwälder, die älter als 140 Jahre sind, vorerst nicht mehr gefällt werden.

Lebensraum für Spechte

Bei der Forstverwaltung in Niedersachsen stößt das auf Unverständnis. Immerhin 2 Prozent des Landeswalds besteht aus mehr als 160 Jahre alten Buchen. Es handele sich dabei nicht um Reste, „sondern durch sorgfältige Pflege aufgebaute Bestände“. Größere zusammenhängende Waldflächen sich selbst zu überlassen sei nicht die Strategie der Landesförster.

Fenner nennt das „integrierten Naturschutz“.Die Förster verzichten auf Kahlschlag und homogene Bestände. Ausgewählte Bäume sollen nicht gefällt, sondern uralt werden, um Lebensraum für Spechte und Käfer zu bieten – von der Nordsee bis zum Harz. Alles in allem erreiche das Land damit 7 bis 8 Prozent nicht genutzte Waldflächen. Ob sich das so rechnen lässt, ist strittig. Greenpeace veranschlagt für Niedersachsen nur 4 Prozent ungenutzten Wald.

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6 Kommentare

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  • T
    THU

    Die Kampagne als solche geht wohl weiter, aber sinnvoll ist das im Spessart wohl absolut nicht. Einer der schönsten seit Jahrhunderten bewirtschafteter Wald, soll jetzt vor denen geschützt werden, die ihn seit Jahrhunderten gepflegt und gehegt haben. Und das bewirtschafteter junger Wald besser fürs Klima ist, daran besteht überhaupt kein Zweifel. Und nachhaltige Forstwirtschaft ist immer besser als die pauschale Stillegung von Flächen. In 100 oder 200 Jahren wachsen dort ökologisch verträglich Rohstoffe für die Generation von morgen und übermorgen nach. Insofern ist der Ansatz von Greenpeace falsch und deshalb zum scheitern verurteilt.

  • K
    Kolja

    Keine Angst, das Camp im Bayern war bewohnt ;)

    Und vom Hotel haben die Bewohner höchstens geträumt...

    Wenn sie denn bei minus 25° mal schlafen konnten :D

    http://gruppen.greenpeace.de/kassel/156.html

    Die Fotos aus dem Solling kommen noch ;)

    Grüne Grüße und erfreut über weitere Fragen,

    Kolja

    (kassel.greenpeace@googlemail.com oder mail@greenpeace.de)

  • O
    Oliver

    Witzigerweise sagt Greenpeace zwar, dass im Solling ein Camp errichtet wurde und Bäume gemessen werden, es gibt aber außer dieser Aussage keinen Hinweis darauf. Bei der professionellen Pressearbeit von GP sollte man doch wenigstens ein Foto erwarten!

    Gerüchte besagen übrigens, dass das erste Camp in Bayern nie bewohnt war. Die Aktivisten sollen im Hotel genächtigt haben...

  • JM
    J. M.

    Die Kampagne in Bayern ist alles andere, als gescheitert! Sie wird beständig fortgeführt und es werden immer mehr Einwohner der betroffenen Regionen im Spessart, die sich von der Regierung bzw. den Bayerischen Staatsforsten nicht mehr an der Nase herumführen lassen. Der Wald verkommt immer mehr zum Wirtschaftsgut und wird ausgebeutet. Zusammenhängende, unbewirtschaftete Flächen sind notwendig um das natürliche Gleichgewicht wieder herzustellen. Einzelne Tothölzer nutzen da garnichts!

  • MR
    M R

    @ Ernst Lehmann: sehr tolle differenzierte Aussage.

     

    Natürlich gibt es Arten, die auch an jungem Totholz mal Nahrung suchen, aber das tun und können längst nicht alle. Der Mittelspecht z. B. ist auf Bäume mit grober Borke angewiesen, also z. B. Eichen ab ca. 120 Jahren und Buchen ab ca. 150-180 Jahren. Wie sogar vielleicht Ihnen bekannt sein dürfte, brüten Spechte auch in Baumhöhlen, und in eine 20-jährige tote Buche mit einem Durchmesser von unter 10 cm passt ein Specht wohl schwerlich rein.

     

    Die Aussage, dass "in unseren Wäldern (junges) Totholz immer mehr stehen gelassen wird", mag in Teilen stimmen, z. T. wird aber im Rahmen der Energieholzgewinnung auch jeder Fitzel Holz aus dem Wald mitgenommen.

  • EL
    Ernst Lehmann

    Für Spechte und Käfer braucht man keine 160 Jahre alte Buchen, dafür reicht auch 20-jähriges Totholz, das in unseren Wälder zum Glück immer mehr stehengelassen wird.