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Waldbrände in Portugal„Wir müssen besser vorbereitet sein“

Lange wurde gewarnt, dass der Zustand von Portugals Wäldern zur Katastrophe führen würde. Nun kamen bei Bränden 64 Menschen ums Leben.

Noch immer nicht unter Kontrolle: Feuer bei Cadafaz am Dienstag Foto: reuters

Madrid taz | „Wäre es möglich gewesen, eine solch große Tragödie zu verhindern?“, fragt die wichtigste portugiesische Tageszeitung Público. Es ist eine Frage, die viele bewegt, nachdem bei der Waldbrandkatastrophe seit Samstag im Landesinneren 64 Menschen ums Leben kamen und 157 teils schwer verletzt wurden.

Der Brand war durch einen Blitz ausgelöst worden. Noch sind die Flammen nicht unter Kontrolle. Sie breiten sich von der Region rund um Pedrógão Grande in die benachbarten Distrikte Coimbra und Castello Branco aus. Die Temperaturen sind mit bis zu 35 Grad weiterhin extrem hoch. Der Wind, der den Brand regelrecht hatte explodieren lassen, ist etwas abgeflaut. Viele der Opfer verbrannten in ihren Fahrzeugen, auf der vergeblichen Flucht vor den Flammen.

„In den letzten 15 Jahren wurde alles genau untersucht, erklärt und aufgeschrieben“, heißt es mit resigniertem Unterton in Público. Die Zeitung lässt den Forstwirtschaftspezialisten der Universität UTAD in Vila Real im Norden Portugals, Paulo Fernandes, zu Wort kommen. Er beklagt sich über fehlende Infrastruktur, wie zum Beispiel sichere Zufluchtsorte in den entlegen Dörfern.

„So etwas ist nie hundertprozentig vorhersehbar. Aber man hätte doch zumindest die Straßen sperren können“, sagt er. Wie die Bevölkerung, meist einfache alte Leute, das hätten mitbekommen sollen, ist allerdings die Frage. Denn in weiten Teilen des betroffenen Gebietes fiel der Strom aus. Die Kommunikation war dadurch sehr stark eingeschränkt.

Die UTAD veröffentlichte bereits 2015 eine ausführliche Studie über den Zustand der Wälder. Portugal ist eines der waldreichsten Gebiete der Europäischen Union. 37 Prozent des Landes sind Wald. 85 Prozent davon sind in Privatbesitz. Die UTAD beklagt, dass große Teile dieser Ländereien von ihren Besitzern völlig vernachlässigt würden.

Ätherische Öle durch Eukalyptus

In den Wäldern sammeln sich herabgefallene Äste am Boden und bieten dem Feuer Nahrung. Viele der traditionellen Korkeichenhaine sind mit Hecken zugewuchert. Hinzu kommt eine Holzwirtschaft, die vor allem die Papierindustrie zum Kunden hat.

In den letzten Jahrzehnten ersetzte schnellwachsender Eukalyptus die einheimischen Arten. Rund ein Viertel der portugiesischen Wälder besteht inzwischen aus dem einst aus Australien eingeführten Baum. Eukalyptus senkt den Grundwasserspiegel, das Land trocknet aus. Hinzu kommen die für diese Bäume typischen, herabfallenden Rindestreifen, die dank eines hohen Anteils an ätherischen Ölen wie Zunder brennen.

„Wer die Bilder des Waldbrandes sieht, stellt fest, dass, Klimabedingungen einmal außen vor, der Brand in einem Gebiet mit Eukalyptuspflanzungen, ohne jedes System, mit kleinen Dörfern und Landstraßen mitten drin, ausgebrochen ist. Hier wissen wir nur zu gut, was das bedeutet“, schreibt ein Kolumnist in der Voz de Galicia, der wichtigste Zeitung in der an Nordportugal angrenzenden spanischen Region Galicien. Dort kommt es seit Jahren zu heftigen Waldbränden, eben weil die Wälder ihren Charakter verändert haben.

Hinzu kommt die Spar- und Privatisierungspolitik der letzten Jahrzehnte. So wurde die Waldbrandüberwachung bereits Ende der 1990er-Jahre von der damaligen sozialistischen Regierung von der Luftwaffe abgetrennt und privatisiert. Im Laufe der Wirtschaftskrise wurden immer weniger Gelder für diese Aufgabe zur Verfügung gestellt. Eine Überarbeitung des Planes zum Schutz der Wälder lässt seit vier Jahren auf sich warten.

„Wir müssen besser vorbereitet sein. Es fehlt an auf Waldbrandgefahr spezialisierte Meteorologen“, erklärt UTAD-Professor Fernandes. Am Samstag erfüllten sich die idealen Bedingungen für einen nicht kontrollierbaren Waldbrand. Regel 30-30-30 nennen die Spezialisten das. Mehr als 30 Grad, mehr als 30 km/h Wind und weniger als 30 Prozent Luftfeuchtigkeit.

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1 Kommentar

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  • Die damalige sozilialistische Regierung unter Socrates hat dem Regime der Forstverwaltung inklusive Forstbeamten 1996 den Todesstoß versetzt, nachdem es bereits bis zur Unkenntlichkeit ausgedünnt war. Alle staatlichen Baumschulen wurden geschlossen. Es gibt nach dieser Katastrophe, die unmittelbar der Brandkatastrophe des vorigen Sommers folgt, vermehrt die Forderung, dieses Regime der Forstverwaltung inklusive Förstern, das in der Tat jahrzehntelang erfolgreiche Arbeit gekeistet hat, wieder einzusetzen. Portugal sei wohl das einzige Land mit einer so großen Waldfläche, das keine Förster habe, heißt es. Weitere Forderungen betreffen die ungebremste Ausbreitung des Eukalyptus, die endlich gestoppt werden müsse. Die im Artikel erwähnte Papierindustrie ist in Tat und Wirklichkeit eine Zelluloseindustrie, es handelt sich um europäische Konsortien mit bis zu 68 % Kapitalanteil. 70% der exportierten Zellulose wird zu Tissue- Papier verarbeitet: Toilettenpapier, Papiertaschentücher, Küchenpapier, Papierservietten. Tissue- Papier ist nicht nicht zu recyceln. Eine Industrie mithin, die ausschließlich ökonomisch nachhaltig ist, und mit rasanten Zuwachszahlen rechnen kann. Portugals einheimische Wälder wandern in die europäischen Kloschüsseln. Die Folgen: Waldbrände ohne Ende, Raubbau an portugiesischem Boden, Versteppung, Verwüstung einer mediterranen Landschaft, die Carl von Linné einst fogendermaßen pries: "Nachdem die Botaniker alle Teile Europas durchquert haben, fehlt ihnen nur Portugal, Land reichster Vielfalt, welches Europas Indien genannt zu werden verdient." Kann eine portugiesische Regierung aus dieser, mit Mitteln der Europäischen Union errichteten Falle herausfinden? Allein wohl kaum.