piwik no script img

Wahlverbrechen #8: Benno Schirrmeister verurteilt das Entchen-Plakat von Die LinkeVerrat im Bad

Zu den unsterblichen, tiefgründigsten Sentenzen Loriots gehört die vom Lametta, das früher mehr war: Nie wurde je das Prinzip der Nostal-gie, das alles Humane im Denken der Reaktion resümiert, besser entblößt als durch diesen Satz. Früher war mehr Lametta heißt, vom Kontext des Fests der Eigen-Liebe in den des Wahlkampfs überführt: Früher war mehr Komik.

Nicht der Befund ist dabei das Problem, sondern der ihm inhärente Wunsch, wieder mehr Lametta zu haben, der übersieht, dass auch dessen Fülle nur als Produkt der Verhältnisse seiner Zeit denkbar ist: Das Mehr des Lametta – oder der Komik – ist ohne eine Wiederkehr der alten Zeit, die flugs zur guten verklärt wird, nicht zu haben. Wer also aufgrund der unvollständigen Analyse, nach der früher mehr Komik gewesen wäre, versucht, eine Wahlwerbung mit Witz zu produzieren, und sich bemüht, redlich bemüht, total anstrengt, presst drückt und – uff! der landet bei dem Links-Plakat: „Wohnen muss bezahlbar sein. Punkt. Aus. Ente.“

Mehr Komik wurde so zwar nicht erreicht. Aber mehr Krampf als in diesem kläglich-scheiternden Verbalhumorversuch lässt sich mit sieben Worten vermutlich wirklich nicht herstellen. Getoppt wird er allein durch seine visuelle Verdoppelung in der Fotografie eines Quietscheentchens, die genau besehen ja einen Verkleinerungssuffix auch im Slogan erfordert hätte, um wenigstens die wahre Flächigkeit eines Flachwitzes zu erzeugen: Punkt. Aus. Entchen wäre zwar noch immer nicht wahnsinnig lustig gewesen, hätte aber wenigstens jene lustvolle Konsequenz des Wahnsinns, die in Dada-Texten und Anti-Witzen zum Lachen reizt.

Das Wohnraumproblem ist ja so spaßig nicht: Es geht darum, dass Städte, in denen das Leben spielt, auch bewohnbar bleiben für alle, die leben wollen. Wer daraus Komik ziehen will, muss sich schon ein schmerzhaft schneidendes Lachen trauen. Eines, das die Unmenschlichkeit des Kapitalismus aufsticht, der als Unterkunft den BürgerInnen ohne Bezahlung nicht einmal mehr ein Fass ließe, und der seine Büttel gegen jene losschickt, die laut Innensenator aggressiv auf der Straße nächtigen, und der BürgerInnen kaum mehr Wert zugemessen hat, als einem gerupften Hähnchen: Dieses aufklärerische Lachen heißt Zynismus.

Die Linke traut sich das nicht, und das macht es wirklich zum Verbrechen: Manche, heißt es, würden für eine gute Pointe ihre Großmutter verkaufen. Bremens Linke verrät mit ihrem matten Spaß die entscheidende soziale Frage des aktuellen Jahrzehnts.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen