: Wahlrhetorik des wendigen Grafen
■ Otto Graf Lambsdorff sprach vor dem Stuttgarter FDP–Wahlparteitag / Beim traditionellen Dreikönigstreffen schwingt sich der prozeßgebeutelte Ex–Wirtschaftsminister in optimistische Höhen
Stuttgart (taz) - Das schafft nur ein Mann von Adel. Knapp dem Vorwurf der Bestechlichkeit entronnen und doch nicht freigesprochen von dem der Steuerhinterziehung, ist Otto Graf Lambsdorff so obenauf wie selten zuvor. So schneidig wie er da auf dem baden– württembergischen Landesparteitag der FDP auftrat, ließ er bei den letzten seiner Parteigenossen die Erinnerung an die Vergangenheit verstummen. „Zukunft durch Leistung“ forderte der Graf, und das Parteivolk jubelte. Die FDP wolle die Fortsetzung der Koalition mit CDU und CSU, weil sie erfolgreich gewesen sei, und stünde für eine andere Koalition nicht zur Verfügung. Doch um es sich mit den Sozialdemokraten nicht ein für allemal zu verderben hieb der Graf doch lieber auf die Grünen: „Wer Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung proklamiert, der gehört nicht in ein deutsches Parlament.“ Die Grünen forderten die „Öffnung der Gefängnisse, und die Entwaffnung der Polizei“, und die Grünen seien kein harmloser Verein mehr zur Bewahrung von Feuchtgebieten und seltenen Lurcharten. Die SPD wäre schon recht, jedenfalls demokratisch legitimiert, wenn sie sich nur nicht opportunistisch an die Grünen und deren Anti–Amerikanismus und Absage an die moderne Industriegesellschaft anbiedern würde. Hamburg sei dafür ein Beispiel gewesen. Erst „widerwärtige poli zeistaatliche Übergriffe auf dem Heiligen–Geist–Feld“, dann Passivität, wenn „DKP, GAL und Chaoten ihre Verwüstungsschneisen durch die Hamburger Innenstadt ziehen“. Und beim Wirtschaften, so der Steuergraf, hätten die Sozialdemokraten immer noch nichts gelernt. Immer mehr Steuern (statt Hinterziehung) forderten sie, mehr Abgaben und mehr Umverteilung. Das sei der Weg zurück in mehr Schulden, mehr Inflation und No–Future–Mentalität. Die FDP jedenfalls, so Lambsdorff, habe die Wende ermöglicht, und sie lasse sie sich nicht wieder stehlen, auch nicht von CDU oder CSU - durch deren Spendierwütigkeit und Subventionsgeschenke. Die FDP, so der Graf, wolle die vollständige Steuerbefreiung von Familien, die vom Existenzminimum leben, die Ermäßigung des Steuerspitzensatzes und eine Überprüfung sämtlicher staatlicher Subventionen. Außerdem garantiere sie für Kontinuität in der Außenpolitik, Rüstungskontrolle und Abrüstung, ein Verbot chemischer Waffen und eine Fortsetzung bisheriger Entspannungs– und Deutschlandpolitik in Zusammenarbeit mit der DDR. Die FDP, so der Graf, kämpfe um jede Stimme, auch um jede Zweitstimme. Und die Zweitstimmenkampagne habe je auch ihre „tiefenpsychologische Wirkung“ längst erreicht. diwi
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