Wahlkampf in Tansania: Präsident Kikwete will nachsitzen
Zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit kann sich die regierende sozialistische CCM nicht mehr sicher sein, die Wahlen zu gewinnen. Präsident Kikwete wird defensiv.
NAIROBI taz | Erstmals seit der Unabhängigkeit 1961 wird am Sonntag eine Wahl in Tansania spannend. Die bisher ununterbrochen regierende ehemals sozialistische Regierungspartei Chama Cha Mapinduzi (CCM) steht zum ersten Mal unter Druck. Zwar wird erwartet, dass Präsident Jakaya Kikwete für eine zweite und letzte Amtszeit gewählt wird und seine CCM die Mehrheit behält. Aber die neue Oppositionspartei Chadem unter Willibrod Slaa macht Tansanias eingeschlafene Politik munter.
Es geht um das Wort "Veränderung", ein internationales Modewort seit dem US-Präsidentschaftswahlkampf des in Ostafrika sehr verehrten Barack Obama 2008. Slaa verspricht "Veränderung" nach Obama-Muster. "Das kommt gut bei den Wählern an, die sich eine neue Richtung wünschen", meint der politische Kommentator Azaveli Lwaitama.
Die regierende CCM war lange eher eine Ideologie als eine Partei. Ihr Programm beruhte auf den Ideen des Staatsgründers Julius Nyerere, der es schaffte, aus den mehr als 120 Volksgruppen des Landes eine nationale Einheit zu schmieden, die bis heute besteht - vor allem dank der Benutzung der gemeinsamen Sprache Swahili. Aber Nyerere starb 1999 und mit ihm die Ideologie.
Die CCM gilt heute als träge und korrupt. Slaa verspricht dagegen, entschlossen gegen Korruption in Regierung und Behörden vorzugehen. Vor allem mit staatlichen Ausschreibungen wird bislang geschummelt. Besonders umstritten: der Kauf eines völlig überteuerten Flugüberwachungssystems von British Aerospace.
Ein weiteres Thema von Slaa sind die seiner Meinung nach für Tansania nachteiligen Bergbauverträge. Das Land ist Afrikas drittgrößter Goldproduzent. Tansania verdient auch pro Jahr 100 bis 200 Millionen Euro an der Produktion von Tansanit, einem Edelstein. Die Steine werden meist in roher Form ins Ausland verkauft. Slaa will, dass sie in Tansania verarbeitet werden, damit mehr Geld im Land bleibt.
Nun sind die Wahlkampfleiter von CCM und Präsident Kikwete beunruhigt. Bei den letzten Wahlen 2005 errang die CCM noch 90 Prozent der Stimmen, Kikwete 80 Prozent. Im April 2010 lag Kikwete in Umfragen noch bei 77 Prozent; jetzt sind es nur noch 38. "Trotzdem glaube ich, dass die CCM und Kikwete gewinnen werden", sagt der politische Analyst Moses Kulaba; "mit irgendwas zwischen 50 und 60 Prozent".
Präsident Kikwete entschuldigte sich im Wahlkampf dafür, dass er seine Versprechen von 2005 nicht umgesetzt hat. "In meinen ersten Jahren als Präsident musste ich viel lernen", sagte er. "Aber ich bin sicher, dass ich in meiner zweiten Amtszeit mehr erreichen kann."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen