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Wahlkampf in RumänienUmsiedlung in verseuchte Fabrik

Der Bürgermeister von Baia Mare will 2.000 Roma in Laboratorien unterbringen, die mit Giftstoffen verseucht sind. Die Aktion soll Stimmen bei den Kommunalwahlen bringen.

Eingemauerte Roma-Siedlung in Baia Mare. Bild: dpa

BERLIN taz | Vierzehn Personen, die meisten davon Kinder, mussten vor wenigen Tagen mit Vergiftungen in Krankenhäuser der rumänischen Stadt Baia Mare gebracht werden. Es handelt sich um Roma, die zuvor auf Befehl des liberalen Bürgermeisters Catalin Chereches aus ihren Unterkünften zwangsevakuiert und in neuen Wohnungen untergebracht worden waren.

Die meisten Roma hatten sich dem Zwangsumzug widersetzt. Um deren Widerstand zu brechen, wurden Polizeikräfte eingesetzt. Die ersten Familien wurden schließlich im Laufe der vergangenen Woche in mit Chemikalien verseuchten Laboratorien einer ehemaligen Fabrik untergebracht. Dort fanden sich Restbestände von Schwefelsäure und anderen hochgiftigen Substanzen.

In der Eile der Umgestaltung der Laboratorien des früheren Kombinats Cuprom hatte man sogar vergessen, die Warnhinweise mit den Totenkopfsymbolen von einigen Türen zu entfernen. Von der Umsiedlung sind etwa 2.000 Roma betroffen.

Gegen die vom Bürgermeister eingeleiteten Zwangsmaßnahmen protestierten mehrere Roma-Organisationen. In einem offenen Brief der Vereinigung Romani-Criss an Staatspräsident Traian Basescu und Regierungschef Victor Ponta wird der Einsatz der Polizei beim Umzug als ein „schwerwiegender Vorfall“ und Verstoß gegen die bürgerlichen Rechte der Roma bezeichnet.

Auf Stimmenfang

Die Roma-Organisation fordert, „konkrete politische und administrative Maßnahmen“ zur Eindämmung der vom Bürgermeister Baia Mares gegen die Roma eingeleiteten Aktionen.

Der von den Sozialdemokraten zu den Liberalen übergetretene Catalin Chereches befindet sich zurzeit im Wahlkampf. Er hofft bei den Lokalwahlen am kommenden Sonntag erneut zum Bürgermeister gewählt zu werden.

Um sich auch die Stimmen fremdenfeindlich gesinnter Mitbürger zu sichern, löste er schon vor dem Urnengang sein Wahlversprechen ein, Roma umzusiedeln.

Chereches, der bei den nächsten Präsidentschaftswahlen kandidieren möchte, geriet schon im vergangenen Sommer in die Schlagzeilen. Damals ordnete er an, Blocks, in denen Roma leben, mit einer fast zwei Meter hohen Mauer zu umgeben.

Negative Schlagzeilen

Pogromartige Ausschreitungen gegen Roma hatten das postkommunistische Rumänien bereits gleich nach der Wende in den Fokus der internationalen Aufmerksamkeit gerückt.

Für negative Schlagzeilen sorgten auch Politiker, die durch ihre rassistischen, gegen Roma gerichteten Maßnahmen in die Kritik gerieten. So der sozialdemokratische Bürgermeister der Stadt Piatra Neamt, der 2001 angekündigt hatte, Roma in Hühnerställen unterzubringen.

Das Areal, auf dem sich die Ställe befanden, sollte mit Stacheldraht abgesichert und von Polizisten und Hundestaffeln bewacht werden. Das „großartige soziale Projekt“ des Bürgermeisters musste auf Druck der internationalen Öffentlichkeit aufgegeben werden.

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9 Kommentare

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  • S
    Stasiopfer_in_USA

    Rot Front TAZ: Sagst doch gleich, alle sollen nach Deutschland kommen, dort gibt es immer ein paar einsame Omis, die Schmuck und Geld in den Schraenken haben.

     

    Ich habe ueber 18 Jahre mit Roma in D. im Ghetto gelebt. Wie schoen, dass ich nun zum Kauf einer Pumpgun nur den Fuehrerschein vorlegen muss (und meine deutschen Ex-Nachbarn beneiden mich darum)

  • U
    ungezwungen

    Wenn Roma nicht völlig am Hungertuch hängen würden, weil keiner ihnen Arbeit geben will, dann würden sie auch nicht alles Metall sammeln.

    Wer ist denn der Abnehmer der Altmetall-Verwertungsanlagen?

    'Wer den Stacheldraht aufgespannt hat wissen Sie nicht?

    Aber sie würden gleich zum Altmetall geben?

    Ich auch!

    Machen wir's gemeinsam: Bauen wir die Zäune ab!

     

    Innensenator Mäurer muss endlich allen Roma in Bremen ein Bleiberecht zusichern!

  • B
    Bachsau

    Stimmenfang, indem man Kinder quält? Also wenn das funktioniert, ist den Leuten echt nicht mehr zu helfen.

  • FB
    F. Bauer

    Das stimmt so hinten und vorne nicht.

     

    Habe meine Eltern drueber ausgefragt -- beide leben derzeit in Baia Mare. Ich selbst bin dort geboren. Mein Vater hat seine Ausbildung damals in den 70ern beim Bergwerk gemacht, er kennt das Gelaende teilweise.

     

    Die Geschichte ist die: Roma haben sich Huetten *auf* den Muellberg am Stadrand gebaut (d.h. die lokale Muellverwertungsanlage). Sie zuenden dort haeufig PET-Flaschen, Reifen etc an -- das geht soweit, dass du an

    Sommertagen den ganzen Bereich grossraeumig umfahren musst, wegen des Gestanks. Natuerlich koennten sie sich die Huetten auch woanders bauen, aber auf den Muellberg sind sie naeher an dem primaeren Rohstoff, den sie

    gerne suchen: Muell.

     

    Jetzt hat die Stadt die Idee gehabt, teile der alten Bergwerksanlagen zu Sozialwohnungen umzubauen, um die Roma von der Muelldeponie dort hin umzusiedeln. Es handelt sich dabei um die Buero-Anlagen, die ueber 30 Jahre lang von hochrangingen Funktionaeren als Arbeitsraeume benutzt

    werden. Die sind voellig ungefaehrlich, nicht verseucht, dort gibt's keine Labors. (Stimmt nicht ganz -- es gab wohl ein kleines Labor im Gebaeude im Beurogebaeude, welches aber nicht fuer Produktion, sondern fuer Stoffanalysen war. Dieses ist aber gesperrt, und nicht als Wohnung genutzt.)

     

    Es handelt sich aber keinesfalls um Wohnungen in "Fabriken" (d.h. in Produktionsanlagen), wie im Artikel suggeriert wird.

     

    Es ist alledings so, dass die Roma sich eine Angewohnheit draus gemacht haben, alles metallische, was nicht (fest genug) angenietet ist, abzubauen und zu den Altmetall-Verwertungsanlagen zu bringen und dort zu verkaufen. Und das

    nicht nur auf dem Fabrik-Gelaende, sondern ueberall in der Stadt. Und zwar schon immer, das ist kein neues Phaenomen. Sie klauen Kanal-Deckel, Werkzeuge aus Kleingaerten, Autobahn-Leitplanken und -Beschilderung... uns haben die z.B. innerhalb von 3 Monaten die ganzen (Stahl-)Pfosten aus dem Weinberg geklaut.

     

    Vermutlich sind die dementsprechend in Teile der Bergwerk-Anlage gegangen, in denen die chemische Verarbeitung von Erz vollzogen war (in Baia Mare wurden vorwiegend Edelmetalle ausgegraben, dementsprechend giftig ist das

    Gelaende...). Natuerlich haben die sich dort Vergiftungen geholt!

     

    Was es mit dem Stacheldraht auf sich hat, das weiss ich nicht, aber vermutlich wurde der gespannt, um den Leuten den Zugang zu eben diesen Gegenden zu verwehren, in denen sie sich selbst vergiften koennten -- anscheinend vergebens. Mich wuerde es nicht wundern, wenn die sich die

    Stacheldraht-Zaeune unterm Nagel reissen und verscherbeln.

  • B
    bull

    Wie gesagt auch Rumänien ist wohl rein zufällig in die EU gekommen.Wo bleibt jetzt das Strafverfahren der EU Kommision gegenüber Rumänien.Es ist einfach unerträglich für mich wenn dieses Nazipack meine Steuergelder aus der EU Kasse bekommt.

  • K
    Kaffee+Kuchen

    Wie kann es eine öffentliche Diskussion über einen Beitritt der Türkei geben, wenn wir schon Staaten fernab unserer Werte aufnehmen. Es wird Zeit sich mal intensiv für eine Weiterentwicklung der Mitgliedsstaaten ins Zeitalter der Menschenrechte einzusetzen. Wenn es sein muss, kann man da auch ruhig mal eine anständige Portion Druck anwenden. Beispielsweise, wie es Herr Leuther nannte, kein Geld mehr zahlen, sondern auch noch ordentlich Strafzahlungen verhängen. Dies sollte nicht ein Instrument für zu hohe Schulden sein, sondern für menschliches Fehlverhalten und -regieren.

  • K
    Kaffee+Kuchen

    Mit welcher Begründung ist Rumänien nochmal Teil der Europäischen Union geworden?

  • A
    Alchemist

    . Ich verurteile die Behandlung der roma aufs schärfste!

     

    Allerdings muss gesagt werden: Schwefelsäure ist nicht giftig sondern ätzend, und in der Handhabung absolut harmlos. Bitte richtig recherchieren und keine Panik vor den naturwissenschaften schüren!

  • TL
    Tim Leuther

    Rumänien sollten wir jeden Euro den wir hier für die Roma ausgeben müssen, von ihren EU-Kohärenzzahlungen abziehen. Die vertreiben die Roma extra. Und wir haben die Kosten. Da seh ich es nicht ein das wir via eu den auch noch geld schicken.