Wahlkampf in Niedersachsen: Vati, Mutti und die Landtagswahl
So viel Krise macht ja ganz ratlos. Zeit für nickelige Performancekritik im niedersächsischen Landtagswahlkampf.
D ie Zeiten sind ernst und hässlich, nicht nur im Niedersachsen-Wahlkampf. Da ist die Versuchung natürlich groß, sich lieber mit Killefitz zu beschäftigen, mit Gendern und Layla, mit dem „Niedersachen“-Druckfehler auf Grünen-Plakaten und Pimmel-für-Deutschland-Gummibärchen bei der AfD oder der Anzahl öffentlich-rechtlicher Redakteure auf CDU-Parteitagen.
Die wirklich wichtigen Fragen sind groß und komplex (Wie ändert man einen Strompreis? Wie backt man sich Fachkräfte?), wer traut sich da schon ran.
Da flüchtet man sich doch viel lieber in so eine nickelige Performancekritik, verteilt Noten wie beim Haltungsturnen: Wer hat wann wo wie gut ausgesehen, clever pariert oder unsouverän reagiert, Nerven gezeigt oder behalten? Wer hat die Nase vorn im Rattenrennen? Wie viele Prozentpunkte in welcher Umfrage?
Mich persönlich nervt ja diese „Vati-macht-das-schon“-Attitüde, mit der die beiden männlichen Spitzenkandidaten antreten – sowohl Bernd Althusmann (CDU) als auch Stephan Weil (SPD).
Mit ruhiger Hand in den Untergang steuern
Da wo ich herkomme, steht hinter jedem „Vati-macht-das-schon“ eine Mutti, die grummelnd die Scherben auffegt und ich bin dieses Arbeitsteilungsmodell wirklich sehr gründlich leid. Aber am Ende sagt das wahrscheinlich auch mehr über die Männer in meiner Familie aus als über die Landespolitik. Bei anderen kommt das bestimmt super an.
Der amtierende Landes-Vati hat jedenfalls einen bemerkenswerten Launenwechsel durchlaufen, scheint mir. Zu Beginn des Wahlkampfes und irgendwann im Sommer wirkte er noch geradezu aufreizend vergnügt – wie ein altes Zirkuspferd, um dieses alte Bild noch einmal zu bemühen. Kopf zurückgeworfen, Zähne gefletscht, Augen weit auf, triumphierend tänzelnde Schritte – noch einmal in die Manege, noch einmal zeigen, was es kann.
Manchmal hatte es allerdings auch etwas Herablassendes, dieses: „Ach kommt, Kinners, nun lasst mich doch einfach mal machen.“ Der Wahlkampfmodus sei ein ganz eigener Gemütszustand, sagt Weil gern. Aber da gab es natürlich auch noch so ein kleines Aufatmen zwischen Corona-fast-vorbei und der sich verdichtenden nächsten Krise.
Die hat in den letzten Wochen und Tagen nun doch dafür gesorgt, dass sich die kleine Zornes- und Sorgenfalte zwischen den Augenbrauen noch einmal tiefer einkerbt. Das ist ja auch keine leichte Aufgabe: Auf der einen Seite Tatkraft und Zuversicht verbreiten und auf der anderen Seite auf gar keinen Fall den Eindruck erwecken, man würde hier irgendwas auf die leichte Schulter nehmen.
Sozialdemokratische Glaubenssätze
Dabei ist er natürlich eigentlich in seinem Element: Die Krise immer eine Armlänge auf Abstand halten, solides Durchverwalten, das kann er aus dem Effeff, glaube ich. Mit den Visionen hatte er es halt nie so.
Und man kauft ihm das ja schon auch irgendwie ab, wie er da so schöne alte sozialdemokratische Glaubenssätze wieder hervorkramt: Der Staat muss dies, der Staat muss jenes. Vergessen wir mal diesen ganzen neoliberalen Quatsch, dessen Vertreter jetzt eh betreten schweigen.
Aber reicht das der Wählerschaft? Dass einer sich mit Krisen von gestern auskennt? Möchte man sich lieber mit ruhiger Hand in den Untergang steuern lassen?
Am Ende, denke ich mir, wird es auf eine Art Vertrauensfrage hinauslaufen und darauf, wie zuversichtlich oder wie finster Leute auf diese x-te Krise gucken. Haben sie das Gefühl, mit einem blauen Auge davon gekommen zu sein? Und glauben sie, das könnte noch mal klappen? Oder wird in ihren Augen alles immer nur schlimmer? Fühlen sie sich nicht gehört, verraten und verkauft, zu billig abgespeist?
Vielleicht nervt auch eigentlich diese kindliche Erwartungshaltung. Ich wünschte wirklich, wir könnten endlich mal wählen wie Erwachsene. Aber da wird es natürlich kompliziert und furchtbar anstrengend.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader