Wahlkampf in Hamburg: Schulreform-Gegner kandidiert für CDU
Der Sprecher der Schulreform-Gegner will auf einem CDU-Ticket in die Bürgerschaft einziehen. Damit könnte er unzufriedene Wähler für die Partei zurückgewinnen.
HAMBURG taz | Jüngste Umfragen sahen für die Hamburg-Neuwahl im Februar einen klaren Sieg von Rot-Grün voraus. Doch nun hat CDU-Spitzenkandidat Christoph Ahlhaus ein unerwartetes Weihnachtsgeschenk erhalten. Walter Scheuerl, der Sprecher der Schulreform-Gegner, kündigte am Donnerstag an, er werde auf einen sicheren Listenplatz für die CDU kandidieren.
Damit könnte er unzufriedene CDU-Wähler zurückgewinnen, die damit hadern, dass die Partei zusammen mit den Grünen die 5. und 6. Klassen an den Gymnasien abschaffen wollte. Scheuerl sagte, er werde "als parteiloser Kandidat auf der CDU-Liste kandidieren und weiter für die Schulpolitik kämpfen".
In die Partei eintreten werde er nicht, dafür habe es zu viele Enttäuschungen gegeben. Der gewiefte Medienanwalt hatte zuvor öffentlich mit der Gründung einer eigenen Partei geliebäugelt. Doch nun erklärte er, die Zeit dafür sei nach dem Koalitionsbruch einfach zu kurz gewesen.
CDU-Spitzenkandidat Ahlhaus, der Scheuerl umworben hatte, rief angesichts des Übertritts die "Versöhnung des bürgerlicher Lagers" aus. Nur indem die "bürgerlichen Kräfte zusammenstehen" sei eine linke Mehrheit in Hamburg zu vermeiden. Doch geht es nach aktuellen Umfragen, wird das Bürgertum die Oppositionsbank drücken.
Die CDU lag laut ZDF-Politbarometer zuletzt bei 22 Prozent, laut einer Psephos-Umfrage bei 28 Prozent. Einer Scheuerl-Partei hätten laut einer Umfrage von Welt, Bild und Sat.1 von Mitte November 4 Prozent ihre Stimme gegeben. Allerdings würden weiter 17 Prozent ihn "vielleicht wählen".
Spielraum noch oben wäre für eine Scheuerl-CDU also vorhanden, es fehlt aber nach dem Scheitern der Primarschule durch den Volksentscheid ein schulpolitisches Streitthema. Darauf angesprochen, versucht es Scheuerl mit dem Klassiker: Gymnasien retten. Nur die CDU stehe momentan für die vierjährige Grundschule, da habe er "keinen Zweifel, zu vertrauen". Die SPD schwanke in dieser Frage, "und die GAL und die Linke wollen die Gesamtschule bis Klasse 9".
Allerdings wollen weder die SPD noch die Grünen an der jetztigen Schulstruktur aus Gymnasien und Stadtteilschulen etwas ändern. Und kleinere Streitfragen, etwa, ob an den Schulen benotete Diktate geschrieben werden, hat die seit zehn Tagen in Hamburg allein regierende CDU im vorauseilendem Gehorsam nach Scheuerls Wünschen gelöst.
Die CDU müsse aufpassen, dass sie "ihre Würde nicht verliert", spottete SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz. Ihr Image einer rückgratlosen Partei werde sie auch nicht dadurch los, dass sie nun einen "scharfen Kritiker ihrer Politik auf ihrer Liste kandidieren lässt".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut