Wahlkampf in Australien: Wo Klimawandel kein Thema ist
Die Migrantenfrage beherrscht den Wahlkampf auf dem Fünften Kontinent vollständig. In dumpfen Parolen sind Labor Party und Konservative gleichermaßen Spitze.
CANBERRA taz | Wer in diesen Tagen in Australien Radio hört, könnte meinen, der Antipodenkontinent stehe kurz vor der Invasion. "Wir werden die Boote stoppen", plärrt der konservative Oppositionsführer Tony Abbott alarmierend ins Mikrofon. Minuten später warnt Premierminister Julia Gillard von einem Kriegsschiff aus mit monoton drohender Stimme "Menschenschlepper" davor, Australiens Grenzen zu verletzen.
Das Problem der Flüchtlinge, die seit Jahren von Indonesien aus auf kaum seetüchtigen Fischerbooten in nordaustralische Gewässer gelangen, dort in der Regel von der Marine aufgegriffen und in Internierungslager gebracht werden, ist das wichtigste von nur einer Hand voll politischer Themen, die vor den Wahlen die Emotionen rühren. Pro Jahr wagen nur etwa 5.000 Frauen, Männer und Kinder in ihrer Verzweiflung die gefährliche und gelegentlich tödlich endende Fahrt über die Timorsee, um in Australien um Asyl zu ersuchen.
Dagegen bleiben rund 50.000 Touristen illegal im Land, nachdem ihr Visum abgelaufen ist. Doch im Gegensatz zu den meist aus Irak und Afghanistan stammenden, muslimischen Asylsuchenden handelt es sich bei ihnen in der Regel um britische Rucksackreisende. Sie eignen sich nicht als Munition in einem von Parolen, Plattitüden und Xenophobie dominierten Wahlkampf. Stimmen die jüngsten Meinungsumfragen, wird es die Laborpartei am 21. August knapp schaffen, im Repräsentantenhaus die Mehrheit der Sitze zu stellen.
Die Flüchtlingsthematik ist in mehrfacher Weise exemplarisch für den "gleichzeitig gefährlichsten wie auch langweiligsten Wahlkampf der australischen Geschichte", wie ein Kommentator meinte. Gefährlich, weil sowohl die regierende Laborpartei als die liberal-nationale Koalition unverhohlen an den latenten Rassismus in der australischen Bevölkerung appellieren, um Stimmen zu gewinnen. Langweilig, weil sich nicht einmal in dieser bedeutenden Frage die Antworten wirklich unterscheiden. Beide Seiten wollen "hart sein" gegenüber den "illegalen Ankömmlingen" und sie in Drittländern unterbringen. Dort sollen sie warten, bis über ihr Asylgesuch entschieden ist. Gleichzeitig haben sich Regierung und Opposition gegen die Idee eines "Big Australia" ausgesprochen - dem von der Wirtschaft geforderten Wachstum der Bevölkerung von gegenwärtig 22 Millionen auf bis zu 40 Millionen im Jahr 2050 .
Am Dienstag sprach sich Julia Gillard für ein Ende der Monarchie in der früheren britischen Kolonie aus. "Ich glaube, dass diese Nation eine Republik sein sollte", meinte sie. Der "angemessene Zeitpunkt" für eine Abkehr von der Monarchie wäre ihrer Ansicht nach das Ende der Regentschaft der britischen Queen Elizabeth II., dem australischen Staatsoberhaupt. Mit dieser Position grenzt sie sich von ihrem Herausforderer Tony Abbott ab, einem erklärten Verfechter des Status quo.
Komplett in den Wind geblasen wird von beiden Seiten das wohl wichtigste Thema, mit dem sich die Nation konfrontiert sieht: Klimawandel. Australien ist pro Kopf der Bevölkerung einer der Welt größten Emittenten von Treibhausgasen. Obwohl sich die globale Temperaturerwärmung auf dem Kontinent bereits vielfältig manifestiert - in Form von Dürre, Waldbränden, Korallenschäden und Überflutungen -, wird der Begriff "Klimawandel" im Wahlkampf kaum erwähnt. Nachdem im letzten Jahr im Parlament der Vorschlag der Vorgängerregierung zur Einführung eines Emissionshandelssystems dreimal am Widerstand der Konservativen gescheitert war, scheint Gillard nicht den Mut zu haben, das Thema aufzunehmen. Sie will mögliche Maßnahmen gegen Klimawandel erst von einem "Bürgerkonzil" diskutieren lassen. Eine ganz andere Haltung hat Tony Abbott. Der notorische Skeptiker bezeichnete den Klimawandel jüngst als "absoluten Mist".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich