piwik no script img

Wahlkampf-Tools in AmerikaObamas Handy-Wahlkampf

Während John McCain auf "Robocalls" setzt und Automaten Wähler mit telefonischen Werbesprüchen bombardiert, hat das Obama-Team eine eigene Anwendung für Apples "iPhone" entwickelt.

Mit einer Spezialsoftware fürs iPhone können Fans des demokratischen Präsidentschaftskandidaten ihre Freunde anrufen und zum Wählen motivieren. Bild: screenshot my.barackobama.com

Wenn derzeit in den so genannten "Battleground States", also den US-Bundesstaaten, in denen die Wahlentscheidung zu Gunsten des Demokraten Barack Obama oder des Republikaners John McCain noch weitgehend offen scheint, das Telefon klingelt, könnte es sein, dass ein Automat am anderen Ende der Leitung ist. Das McCain-Wahlkampfteam hat Abertausende so genannter "Robocalls" bestellt, Roboteranrufe, bei denen Computer die Wähler zuhause anwählen und ihnen dann eine automatisierte Werbebotschaft übermitteln, ganz egal ob der Bürger direkt an die Leitung geht oder ein Anrufbeantworter abhebt. Derzeit besonders beliebt ist die Aussage, Obama habe Kontakt mit dem "domestic terrorist" William Ayers gehabt, einem Alt-Achtundsechziger, dessen radikallinke Gruppierung in den Sechzigern und Siebzigern Bombenanschläge auf US-Regierungsgebäude plante, als der Demokrat noch ein Kind war.

Die Obama-Kampagne antwortet auf die Schmutzkampagne im Internet auf einer Website namens "Fight the smears" ("Gegen den Dreck") und in Wahlwerbespots, geht dabei aber insgesamt bedeutend cleverer vor als das im Abschwung befindliche McCain-Lager. So knackt Obama vor allem dank seines smarten Netz-Teams einen Spendenrekord nach dem anderen. Der neueste technische Schrei, den die Kampagne für sich entdeckt hat, ist Apples "Wunderhandy" iPhone. Mit einer Spezialsoftware können Fans des demokratischen Präsidentschaftskandidaten ihre Freunde anrufen und zum Wählen motivieren.

Das kostenlose Werkzeug mit dem schlichten Namen "Obama '08" wird als "offizielle globale Verbindung ins Herz der Kampagne von Barack Obama und seinem Vizepräsidentschaftskandidaten Joe Biden" beworben und soll aus jedem Obama-Fan eine Ein-Personen-Wahlkampfmaschine machen. Neben Zugriff auf die offiziellen politischen Werbematerialien des Demokraten und Argumentversatzstücke ("Talking Points") wird der Benutzer über Kampagnenereignisse auf örtlicher und landesweiter Ebene auf dem Laufenden gehalten. Videos und Fotos der Wahlkampftour ergänzen das Angebot, außerdem meldet sich die Kampagne regelmäßig per Textbotschaft, um den Nutzer zu motivieren.

Wichtigster Punkt ist aber die Funktion "Freunde anrufen" - ähnlich wie McCains "Robocalls" soll der Obama-Fan damit die letzten Unentschiedenen in seinem Umfeld motivieren, an der richtigen Stelle das Kreuzchen zu machen. Dazu besitzt "Obama '08" die praktische Funktion, gleich auf das im iPhone eingebaute Telefonbuch zugreifen zu können. Die Kontakte sind außerdem nach "Battleground States" gruppiert, damit die (für den Wahlausgang) wichtigsten Freunde als erstes angeklingelt werden können. Motivierend sollen außerdem Statistiken wirken, die dem "Obama '08"-Benutzer mitteilen, wie viele Anrufe andere iPhone-Wahlkämpfer bereits abgesetzt haben und wie viele gerade in diesem Moment abstimmungsentscheidend zu wirken versuchen.

Es ist eher unwahrscheinlich, ob eine Anwendung wie "Obama '08" auch in Deutschland zulässig wäre - schon die Nutzung der Telefonbücher im iPhone dürfte hiesige Datenschützer schwindelig machen. Die bislang modernste Wahlwerbeform waren bislang SMS und E-Mails, doch hier hatten mehrere Parteien im vergangenen Bundestagswahlkampf schwer an Spamvorwürfen zu leiden, so dass selten ungefragt geworben wird. Auch fehlen entsprechende Datenbestände.

Aber auch die moderne Obama-Kampagne ist nicht immer unschlagbar. Die erste Version von "Obama '08" wies einen Fehler in der Statistik auf, laut der plötzlich der Top-Anrufer alle 12 Sekunden einen Anruf hätte platzieren müssen, was natürlich kein Mensch konnte. Einen Tag später hatten die Obama-Leute das Problem gelöst.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!