Wahlkampf 98: Parteien am Rande: „Der schlimmste Feind der Frauen sind Frauen“
■ Neben den etablierten Parteien treten zur Bundestagswahl 18 kleine an: Die „Frauen Partei“ fordert von den Männern, die Frauen als „ganzheitliche Persönlichkeiten“ wahrzunehmen
Liz Schmidt ist blond und blauäugig. Das dazugehörige Klischee erfüllte sie bis zum Alter von 26 Jahren, als sie in der persischen Botschaft in Genf arbeitete. Doch als sie 1964 nach Berlin kam und beim Schah-Besuch „onduliert und mit Stöckelschuhen“ unter den Jubelpersern stand und kurz darauf Benno Ohnesorg erschossen wurde, veränderte sich ihr Leben schlagartig. „Da dachte ich“, erzählt die heute 60jährige, „ich stehe auf der falschen Seite.“
Sie gehörte schnell zu denen, die Steine gegen den Springer- Verlag warfen. „Kein Stein tut mir leid“, sagt sie heute. Die „Frauen Partei“, zu deren Mitbegründerinnen sie 1995 gehörte, sieht sie als ein „Endprodukt“ der damaligen Proteste. Auch wenn sich seitdem die Verhältnisse stark geändert haben, hätten die Männer „bei Macht und Geld keinen Schritt nachgegeben“.
Spricht Liz Schmidt von den „vielen Mädchen, die schon in der zweiten Generation von Sozialhilfe leben“, gerät sie in Rage. „Die sind doch mit 30 fertig auf der Bereifung.“ Auch in der eigenen Partei kämpft Schmid gegen das Patriarchat. Sie glaubt zu wissen, warum die Partei in Berlin nur etwa 50 „Mitfrauen“ hat: „Der schlimmste Feind der Frauen sind Frauen“, sagt sie. „Das Gestrampel um den Mann“ sei doch irgendwie prägend.
Aber männerfeindlich seien sie nicht, wehrt sie sich gegen ein weitverbreitetes Vorteil. Unter den bundesweit etwa 1.000 „Mitfrauen“ seien immerhin zwei Männer. Daß die Mutter eines erwachsenen Sohnes nicht verheiratet ist, liege daran, daß „mich keiner genommen hat“, sagt sie und lacht laut. Schmidt braucht keinen Alibimann.
Die ehemalige PDS-Abgeordnete klagt, daß früher alles viel solidarischer gewesen sei und daß man seinesgleichen am Parker- Look leicht erkennen konnte. Und heute? „Heute erkenne ich keinen mehr.“ Ihre auffälligen roten Ohrclips mit der Aufschrift „Stop“ seien kein Erkennungszeichen, betont sie, nur das Geschenk eines Freundes.
„Das Jahrtausend geht, die Frauen kommen“ – unter diesem Slogan geht die feministische Partei erstmals in den Bundestagswahlkampf. Doch an einen Sprung über die Fünfprozenthürde glaubt auch Liz Schmidt nicht. „Das wäre illusionär.“ Reizvoll dagegen findet sie die Vorstellung, Männern wie Kohl, Westerwelle oder Schröder (“Das sind doch alle Machos!“) einen Diskussionsprozeß aufzuzwingen.
Liz Schmidt, die als Pädagogin für geistig und körperbehinderte Kinder in Wilmersdorf arbeitet, hat genaue Vorstellungen, wie die Männer sein sollen: emanzipiert. „Ein emanzipierter Mann ist einer“, sagt sie, „der die Frauen als ganzheitliche Persönlichkeit im Blick hat.“ Ganz müsse er die Frauen nicht begreifen. „Das schafft er nie“, sagt sie und lacht nicht.
Eine „feministische Politik mit gläsernen Strukturen“, ein „anderes Arbeiten und Wirtschaften“ und das Recht auf Selbstbestimmung in jeglicher Hinsicht – das sind einige der Forderungen der Frauen Partei. „Dafür habe ich gekämpft und dafür sinke ich ins Grab.“ Liz Schmidt ist es Ernst mit dem Kampf um Gleichberechtigung. Barbara Bollwahn
Am 1.9. soll im Stadtteilzentrum „Brunhilde“, Rheinsberger Str. 61 in Mitte, ein Bezirksmitfrauenverband Ost/West gegründet werden.
Wird fortgesetzt
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