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■ Tour d'EuropeWahlheimat Sowjetunion

Nach dem Sieg der Oktoberrevolution wurde die Sowjetunion und vor allem Moskau für Kommunisten aller Welt zu einer – häufig ideologisch überhöhten – zweiten Heimat. Kommunistische Parteien schickten ihre Kader zur ideologischen Festigung hierher, verfolgte Kommunisten wie etwa der türkische Dichter Nazim Hikmet lebten hier ihr Heimweh aus. Als in den 60er Jahren die ersten philokommunistischen Regime in der Dritten Welt an die Macht kamen, war eine Ausbildung an der Moskauer Lomonossow-Universität eine Auszeichnung.

Für Tausende europäische Genossen, die nach dem Siegeszug des Faschismus hier Zuflucht suchten beziehungsweise schon hier lebten, wurde diese zweite Heimat jedoch zu einer tödlichen Falle. Im berühmten „Hotel Lux“ kam während der 30er Jahre die Elite der ausländischen geflohenen Kommunisten unter, in die lange Liste seiner Gäste gehören Tito, Dimitrow, Ho Chi Minh, Rakosi, Togliatti, Chou En-lai, Wehner und Walter Ulbricht. Fünf Weltkongresse der Kommunistischen Internationale wurden hier abgehalten.

Doch der NKWD, der sowjetische Geheimdienst, machte – vor allem nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion – nicht nur unter den eigenen Landsleuten tabula rasa, sondern dezimierte auch die ausländischen Genossen. Das Lux wurde zum Schauplatz nächtlicher Razzien, Selbstmorde seiner Bewohner, die eine Verhaftung fürchteten, waren an der Tagesordnung.

Verdächtige Emigranten wurden vielfach auch nach Nowosibirsk in Sibirien geschickt, in Arbeitslager nach Karaganda in Kasachstan, in Konzentrationslager in Krasnogorsk bei Moskau, in Lager für Kriegsgefangene in Odessa... Nur wenigen, wie dem spanischen Kommunisten „el Campesino“, gelang die Flucht aus diesen Vernichtungslagern, nur wenige überlebten die Schinderei, die mangelnde Ernährung, die fehlende Hygiene und die Härte des Klimas.

Noch über die Entstalinisierung hinaus verleugneten die kommunistischen Parteien die Existenz dieser Lager und bezeichneten sie als diffamierende Feindpropaganda. Der Kalte Krieg begünstigte das Schweigen um die Gulags. Auch die Sowchosen, denen zahlreiche, politisch nicht verdächtige Flüchtlinge zugeteilt wurden, waren in der Regel keine freiwilligen Aufenthaltsorte. Etwa zwei Drittel der Spanienkämpfer etwa lebten – ein Privileg – in Moskau. Der Rest mußte sich dem Mißtrauen der Sowchosenarbeiter stellen und wurde sowohl wegen mangelnder Arbeitsfähigkeit als auch wegen mangelnder Integrationsbereitschaft kritisiert.

Als die Ausreiseanträge der ehemaligen Genossen schließlich bewilligt wurden, verpflichtete man die ehemaligen Lagerinsassen darauf, im Ausland Schweigen über ihre Erlebnisse in der Sowjetunion zu bewahren.ant

Foto: Rolf Schulten

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