Wahlen: Frankreich rutscht nach rechts
Präsident Sarkozy wird weitgehend freie Hand beim Regieren haben. Seine UMP feiert einen Triumph bei der ersten Runde der französischen Parlamentswahlen. Auf die Linke kommen harte Zeiten zu.
Paris taz Alle hatten sie es vorausgesagt - und trotzdem überrascht die Wucht der Welle, die am Sonntag über Frankreich gerollt ist. Jetzt steht fest: In der neuen Legislaturperiode werden dieselben Abgeordneten der Präsidentenpartei UMP in der Pariser Nationalversammlung sitzen wie vor der Wahl. Mit dem Unterschied, dass sie nun viel stärker sind als jemals zuvor.
Bei der Stichwahl am kommenden Sonntag könnte die UMP bis zu 501 der insgesamt 577 Parlamentssitze besetzen. Hinzu kommen zwischen 20 und 24 für das mit ihr alliierte "Nouveau Centre". 110 KandidatInnen erhielten schon im ersten Durchgang 50 Prozent der Stimmen. Sie brauchen nicht mehr in die Stichwahl zu gehen. Unter diesen SiegerInnen ist nur ein einziger PS-ler, aber sieben MinisterInnen der rechten Regierung, darunter Premierminister François Fillon.
Die Opposition in der Nationalversammlung wird künftig ein Schattendasein führen. Nach der Stichwahl wird die PS zwischen 60 und 186 Sitzen besetzten, die KommunistInnen zwischen 6 und 15 und die Grünen zwischen null und drei. Die erst vor einem Monat gegründete neue Zentrumspartei Demokratische Bewegung (MoDem) von Ex-Präsidentschaftskandidat François Bayrou kommt auf ein und vier Sitze.
Die zweite Überraschung des Urnengangs ist die massive Wahlenthaltung. Auch sie war am Sonntag ein Rekord in der Geschichte der Parlamentswahlen in der 1958 gegründeten V. Republik. Knapp 40 Prozent der WählerInnen, zehn Millionen FranzösInnen, nahmen ihr Wahlrecht nicht wahr. Einen Monat nach einer Präsidentschaftswahl, bei der das Interesse und auch die Wahlbeteiligung mit mehr als 85 Prozent historisch hoch waren, ist das ein scharfer Kontrast.
Am stärksten von der Wahlenthaltung betroffen sind die linken Parteien, allen voran die PS. Nach Ansicht des Politologen Roland Cayrol ist auch die "Kernwählerschaft" der Front National am Sonntag nicht wählen gegangen. Die rechtsextreme Partei hat mit knapp über 4 Prozent eines der schlechtesten Ergebnisse ihrer Geschichte eingeholt. Nachdem sie 2002 an zahlreichen Stichwahlen teilnahm, schaffte es dieses Mal nur Marine Le Pen, die Tochter des Chefs, in einer besonders stark von Industrieabwanderungen betroffenen Region im Norden Frankreichs in die Stichwahl zu kommen.
"Das Ende der Extreme" jubelte Patrick Devedjian, der amtierende Generalsekretär der UMP, am Wahlabend. Das Verschwinden der Front National und der Kommunistischen Partei sowie die Tendenz zu einem Zwei-Parteien-Systems sei ein "gutes Zeichen für die Modernisierung" Frankreichs. Auch Regierungschef Fillon, der wenige Minuten nach Verkündung des Wahlergebnisses strahlend vor die Kameras trat, lobt als Erstes den "Elan" des Staatspräsidenten und dessen "politische Revolution". Um Projekte des neuen Staatsoberhauptes zu realisieren bat Fillon die WählerInnen, die rechte Mehrheit am kommenden Sonntag noch auszubauen.
Wahlfeten am Sonntagabend hat die UMP erst gar nicht organisiert. Der Präsident, der noch bis vor einem Monat Chef ihrer Partei war, hat die Parole ausgegeben: "Kein Triumphalismus." Per Mobiltelefon übermittelt Sarkozy diesen Auftrag am Wahlsonntag mehrfach an seine MinisterInnen. Bei den abendlichen Diskussionsrunden im Fernsehen wiederholen diese eineR nach dem anderen den präsidialen Auftrag - und demonstrieren Bescheidenheit. Als Zeichen ihres guten demokratischen Willens wiederholen sie ein Angebot, das ihr Präsident aus dem Programm seiner einstigen sozialistischen Gegnerin Ségolène Royal übernommen hat: Die PS, obschon nur noch in Schrumpfform im Parlament vorhanden, soll den Vorsitz der wichtigen Finanzkommission bekommen. Angesichts der neuen Mehrheitsverhältnisse riecht das nach königlicher Gnade.
Die UMP hat es bei diesen Parlamentswahlen wie schon in den vorausgegangenen Präsidentschaftswahlen im Mai meisterhaft geschafft, vergessen zu machen, dass sie das Land auch in den vergangenen fünf Jahren regiert hat. Und dass Exstaatspräsident Jacques Chirac, der zwölf Jahre an Frankreich Spitze stand, ebenfalls aus ihren Reihen kam. Keck führen UMP-PolitikerInnen den Satz im Mund: "Wir müssen den Stillstand beenden" - als habe den eine ganz andere politische Kraft organisiert.
Sobald die Parlamentswahlen vorbei sind, will Sarkozy seine ersten Reformen angehen. Noch vor der Sommerpause soll die "Modernisierung" Frankreichs beginnen. Dazu gehören unter anderem ein Steuerpaket, das die Spitzensteuern senkt. Die Reform wird zwar nur 90.000 Steuerhaushalte in Frankreich begünstigen, ist aber nach Jahren der Klagen über zu hohe Steuern dennoch populär.
Ebenfalls im Sommer will die Regierung einen "Mindestdienst" einführen: eine Einschränkung des Streikrechtes, der zufolge bei Streiks ein Teil der Züge und Nahverkehrsmittel zum Einsatz verpflichtet sind. Das letzte große Gesetzespaket für diesen Sommer betrifft eine Reform des Strafgesetzes. In scharfem Kontrast zur französischen Tradition hat Sarkozy Pauschalstrafen für Rückfalltäter versprochen. Die RichterInnen sollen künftig unabhängig von der Person der Angeklagten Mindeststrafen verhängen.
So wie die Mehrheitsverhältnisse sind, werden diese Reformen im künftigen französischen Parlament durchgehen wie ein Brief bei der Post. Zumal Sarkozy noch weitere Persönlichkeiten aus der Opposition für seine Regierung anwerben will. Schon jetzt sitzen mehrere PSler in der Regierung Fillon. Opposition wird es in den kommenden Jahren also nur außerhalb des Pariser Parlamentes geben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!