Wahlen in Venezuela: Maduro erobert Parlament
Weil die Opposition die Wahl in Venezuala boykottiert hat, ist das Ergebnis eine Formsache. Nur eine Minderheit ging überhaupt wählen.
Die Wahlbeteiligung lag bei 31 Prozent. Rund 20 Millionen Wahlberechtigte waren am Sonntag aufgerufen, die 277 Abgeordneten der Nationalversammlung zu bestimmen. Da die wichtigsten Oppositionsparteien zum Boykott der Wahl aufgerufen hatten, war der Sieg des Gran Polo Patriótico garantiert. Zu dieser Allianz gehört auch die regierende Partido Socialista Unido de Venezuela (PSUV) von Staatspräsident Nicolás Maduro. Durch eine Neueinteilung der Wahlkreise werden zukünftig 110 Abgeordnete mehr im Parlament sitzen.
Dass die Schlangen an den Tankstellen an diesem Sonntag um ein Vielfaches länger waren als die vor den Wahllokalen, war der Running Gag der Opposition. Nach Einschätzung vieler Beoabachter*innen hätte nur eine Wahlbeteiligung zwischen 45 und 50 Prozent als Erfolg der Regierung gelten können.
„Die Wahrheit kann nicht versteckt werden“, sagte der Oppositionsführer und selbsternannte Übergangspräsident Juan Guaidó. Die große Mehrheit der Venezolaner*innen sei der Wahl ferngeblieben.
Kaum Interesse am Wahlkampf
„Die Opposition will aus der Wahl ein Plebiszit machen. Okay, wenn sie gewinnen, trete ich ab“, hatte Nicolás Maduro vergangene Woche während einer Wahlveranstaltung verkündet und so für etwas Aufmerksamkeit gesorgt. Tatsächlich interessierte sich kaum jemand für den Wahlkampf, obwohl über 100 Parteien und Parteigrüppchen insgesamt 14.400 Kandidat*innen ins Rennen schickten.
Seit langem befindet sich das Land in einer tiefen Krise und der allergrößte Teil der Bevölkerung kämpft ums tägliche Überleben. Die Inflation liegt bei 4.000 Prozent.
Die Nationalversammlung war die letzte Bastion der Opposition gewesen; seit 2016 verfügten die Maduro-Gegner im Einkammerparlament über eine Zweidrittelmehrheit. Allerdings akzeptierte die Regierung nichts, was von diesem Parlament in den vergangenen fünf Jahren beschlossen wurde. Um den Anschein der Gewaltenteilung zu wahren, ließ sie sämtliche Parlamentsbeschlüsse vom obersten Gerichtshof annullieren.
Der wichtigste Trumpf der Opposition war die Zustimmung des Parlaments zu Aufnahme von Auslandskrediten, wie es die Verfassung verlangt. Diese Zustimmung hatte das Parlament der Regierung stets verweigert, was die Regierung aber nicht hinderte.
Dabei ist das Parlamentsvotum für potenzielle Kreditgeber*innen weitaus wichtiger als für die ohnehin willkürlich handelnde Regierung. Denn wäre Maduro gestürzt, könnte eine etwaige neue Übergangregierung den Schuldendienst mit dem Hinweis auf das illegitime Vorgehen der Exekutive ablehnen. Wenn am 5. Januar 2021 die neue Nationalversammlung zusammentritt, kann die Regierung diese offene Flanke schließen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren