Wahlen in Niger: Ein Präsident zerlegt seinen Staat

Nigers Präsident Tandja verlängerte seine Macht per neuer Verfassung, jetzt will er ein neues Parlament. Die Opposition boykottiert, die Nachbarstaaten fordern, die Wahl abzusagen.

Der nigerianische Präsident Mamadou Tandja. Bild: dpa

BERLIN taz | Normalerweise gelten Parlamentswahlen als Ausweis von Demokratie. Die Parlamentswahlen am heutigen Dienstag im westafrikanischen Sahelstaat Niger gelten für die dortige Opposition jedoch als Baustein einer neuen Diktatur. "Nein zur Diktatur, Ja zur Demokratie!", skandierten Demonstranten in Nigers Hauptstadt Niamey am Wochenende bei der Abschlusskundgebung der Opposition, die zum "massiven Boykott" des Urnengangs aufruft. Auch die westafrikanischen Nachbarn haben gefordert, die Wahl abzusagen.

Nigers Präsident Mamadou Tandja hat zur Wahl einer neuen 113-köpfigen Legislative aufgerufen, weil er das alte Parlament am 26. Mai auflöste. Mit diesem Schritt hatte er damals verhindert, dass die Abgeordneten sich gegen seine Pläne zu einer Verfassungsreform stellen, die ihm eine unbegrenzte Anzahl gewählter Amtszeiten ermöglicht. Zuvor hatte das Oberste Gericht diese Pläne für verfassungswidrig erklärt; auch dieses wurde daraufhin von Tandja aufgelöst. Am 4. August setzte Tandja seine maßgeschneiderte neue Verfassung mit offiziell 92,5 Prozent Jastimmen durch; Oppositionsangaben zufolge ging fast überhaupt niemand wählen.

Aus Sicht der politischen Opposition sind die Verfassungsänderung und die Parlamentsauflösung illegal, das alte Parlament noch im Amt, und Präsident Tandjas letzte legale Amtszeit endet wie gehabt am 22. Dezember. Aus Sicht Tandjas muss mit der neuen Verfassung auch eine neue Legislative her, seine eigene laufende Amtszeit geht nunmehr bis 2012, und danach kann er sich unbegrenzt wiederwählen lassen. Es gibt keine Anzeichen, dass eine der beiden Seiten zum Nachgeben bereit ist. Vielmehr hat Niger, eines der ärmsten Länder der Welt, ab jetzt keine allseits anerkannten nationalen Institutionen mehr, und Tandjas Herrschaft wird immer autoritärer. Vor wenigen Wochen wurden mehrere Abgeordnete des alten Parlaments wegen Korruption festgenommen und angeklagt, nachdem sie versucht hatten, ihre aufgelöste Legislative zu einer Sitzung einzuberufen. Kritische Journalisten und Bürgerrechtler wandern in Niger nahezu im Wochenrhythmus hinter Gitter.

Das alles ist ein Szenario für Instabilität, und weil es in Westafrika schon genug instabile Länder gibt, ist die Regionalorganisation Ecowas (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft) höchst besorgt. Auf einem Sondergipfel in Nigeria am Samstag, der auch die Zuspitzung der Krise in Guinea zum Thema hatte (siehe Kasten), verlangten die Ecowas-Staatschefs eine ersatzlose Streichung der nigrischen Parlamentswahl, forderten von der Regierung "Dialog mit den anderen politischen Parteien" des Landes und verhängten erste Sanktionen. Staatsbürger Nigers bekommen laut Gipfelbeschluss keine Ecowas-Unterstützung mehr, wenn ihre Regierung sie für internationale Posten vorschlägt. Wenn Niger den Ecowas-Forderungen nicht nachkommt, wird die Afrikanische Union eingeschaltet, um Strafmaßnahmen zu beschließen.

Auffällig ist, dass alle prominenten Gegner Tandjas sich heutzutage vor allem in Nigers südlichem Nachbarland Nigeria aufhalten, dessen Regierung Tandjas Autoritarismus scharf kritisiert hat. Nigeria wäre in der Lage, durch Schließung der Grenzen und Abschaltung der Stromversorgung Niger in die Knie zu zwingen.

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