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Wahlen in GuineaDann zittert ganz Westafrika

Guineas Präsident Alpha Condé, einst Modernisierer, kandidiert am Sonntag für eine dritte Amtszeit. Westafrikas Wahlmarathon beginnt mit Gewalt.

Militante Anhänger des Präsidenten blockieren die Straße nach Kankan, 11. Oktober Foto: Sadak Souici/ap

Berlin taz | Die Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshof erklärt sich „sehr besorgt“. Die afrikanischen Wahlbeobachter warnen gemeinsam vor „Gewalt und Hassreden auf ethnischer Grundlage“. Präsident Alpha Condé selbst sagt auf einer Kundgebung: „Diese Wahl ist nicht nur eine Wahl, es ist wie im Krieg.“

Je näher die Wahlen in Guinea am kommenden Sonntag rücken, desto größer werden die Sorgen. Guinea kannte zuletzt vor rund 20 Jahren Bürgerkrieg, als die Konflikte in Liberia und Sierra Leone übergriffen. Heute ist der Kontext ein anderer: die Ausbreitung islamistischer Gewalt in Mali, Burkina Faso und Niger – und eine Reihe polarisierter Wahlen in Westafrika, die in Guinea beginnt, Ende Oktober in der Elfenbeinküste ihre Fortsetzung findet und bis Dezember Ghana, Burkina Faso und Niger erreicht.

In all diesen Ländern ringen zunehmend ungeliebte Präsidenten um die Wiederwahl. Wie fragil ihre Position ist, zeigte sich im August in Mali, als das Militär unter dem Jubel der Bevölkerung den gewählten Präsidenten Ibrahim Boubara Keïta stürzte – den am stärksten von Europa militärisch unterstützten Staatschef der Region.

Für Guinea war das ein Alarmsignal. Malis Hauptstadt Bamako liegt nur 120 Kilometer von der Grenze entfernt, und erst vier Wochen vorher hatte Guineas Präsident Alpha Condé seinem Amtskollegen Keïta seine „totale und vollständige Solidarität“ zugesichert und erklärt: „Mali und Guinea sind zwei Lungenflügel in einem Körper, und alles, was Mali betrifft, betrifft auch Guinea.“

Diese Wahl ist nicht nur eine Wahl, es ist wie im Krieg

Guineas Präsident Alpha Condé

Da war längst klar, dass Guinea mit den Wahlen ebenfalls auf eine politische Konfrontation zusteuert. Mittels einer neuen Verfassung sicherte sich der 82-jährige Condé im März das Recht auf eine dritte Amtszeit, nachdem er schon zweimal fünf Jahre regiert hat. Die politische Opposition wandte sich mit Massenprotesten gegen das Vorhaben, aber eine Volksabstimmung billigte Condés Vorhaben.

Jetzt kandidiert der Präsident für seine dritte Amtszeit, und seine Gegner bezeichnen das als Verfassungsputsch. Gewalt im Wahlkampf und in den Auseinandersetzungen um das Verfassungsreferendum hat laut Opposition 92 Tote gefordert.

Autoritäre Strukturen

Doch Guineas Konfrontation ist nicht einfach eine zwischen Staatsmacht und Opposition. Präsident Alpha Condé ist eigentlich der dienstälteste Veteran der guineischen Demokratiebewegung, die jahrzehntelang gegen eines des finstersten Militärregime Afrikas kämpfte. Er verbrachte viel Zeit im Gefängnis und im Exil, bis er 2010 zurückkehrte, um als alter Mann sein kaputtes Land zu sanieren.

Er sieht sich seitdem als einsamer Rufer in der Wüste, der Guinea ganz alleine modernisiert, und dessen Gegner bloß meckernde Egoisten sind.

Aber mit zunehmender Verweildauer im Amt hat sich Condé mehr und mehr auf die autoritären Strukturen verlassen, die er geerbt hat – auch, weil er vermutlich sonst längst weggeputscht worden wäre. Das Massaker der Armee an Demonstranten der Demokratiebewegung am 28. September 2009, das 158 Tote forderte und das Ende der Militärherrschaft einläutete, ist bis heute nicht juristisch aufgearbeitet.

Im Wahlkampf bekommt die Opposition in Condés Hochburgen um die Stadt Kankan, von seiner Ethnie der Malinké dominiert, keinen Fuß auf den Boden. Der Oppositionskonvoi wurde am vergangenen Sonntag weit vor Kankan von militanten Jugendlichen blockiert, bevor am Dienstag Condé auftrat, Internet für jedes Dorf versprach und verkündete: „Ich will Guinea nicht den Dieben und Lügnern überlassen. Ich zähle auf die Jugend.“

Umgekehrt hat sein Hauptgegner, Cellou Dalein Diallo, nie verwunden, dass er 2010 nicht Präsident wurde, obwohl er in der ersten Wahlrunde Condé mit 40 gegen 21 Prozent geschlagen hatte. Er kandidiert jetzt ebenso wie Condé zum dritten Mal, und als Vertreter von Guineas größter Volksgruppe der Peul sieht er sich im historischen Recht.

Er nimmt dafür auch die Spaltung der Opposition in Kauf, die eigentlich die Wahl boykottiert. Diallo moniert „eine verfälschte Verfassung, eine unvollständiges Wahlregister, eine totale Unterwerfung von Wahlkommission und Verfassungsgericht“ – aber er tritt trotzdem an.

Denn Condé und Diallo versuchen gar nicht erst, Gegner zu überzeugen. Sie mobilisieren ausschließlich die eigene Basis. Zwar mahnen sie beide zur Mäßigung: In Kankan verurteilte Condé die Gewalt gegen die Opposition, und Diallo spricht sich gegen die Instrumentalisierung der Ethnie aus. Doch sparen sie nicht mit Beschimpfungen. Condé sei „weder körperlich noch geistig“ zu einer weiteren Amtszeit in der Lage, holzt Diallo. Der Präsident kontert, seine Gegner würden „im Mülleimer der Geschichte“ landen.

Peul gegen Malinke

Für beide ist es vermutlich die letzte Schlacht, nicht aber für Guineas Jugend. Was machen nach einem Condé-Wahlsieg die Peul-Jugendlichen? In Mali und Burkina Faso haben sich marginalisierte Peul islamistischen Untergrundkämpfern angeschlossen. Aus Guinea ist eine Rekrutierung bisher nicht bekannt, aber Diallos Heimatstadt Labé im zentralen Hochland wird zuweilen als Durchgangsstation für Kämpfer aus anderen Ländern genannt.

Die Ethnie der Malinke stellt demgegenüber mit Condé nicht nur den Präsidenten Guineas. Ihr gehört auch, unter dem Namen Dioula, Alassane Ouattara an, der Präsident der Elfenbeinküste, der zwei Wochen nach Condé unter ebenso umstrittenen Umständen für eine dritte Amtszeit antritt. Auch Malis gestürzter Präsident Keïta ist Malinke.

Alle drei sind befreundet. Condés zweite Ehefrau Mama Kanny, heute seine Planungsministerin, war einst angeblich eine Jugendgeliebte Ouattaras.

Pikant: Mama Kanny ist Peul. Eine Trennung von Volksgruppen gibt es in Westafrika nicht. Im Gegenteil: Die Politiker aller Ethnien kennen sich gegenseitig so gut, dass persönliche Beziehungen immer wieder über die Politik entscheiden, länderübergreifend. Die Wahlurne ist zweitrangig. Deswegen entscheidet Guinea am Sonntag über viel mehr als nur den eigenen Präsidenten.

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4 Kommentare

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  • Mich würde interessieren, wie sich in den letzten Jahrzehnten die Zugehörigkeit zu Peul und Malinke verändert hat oder verändern konnte?



    Es gibt ja viel Migration und in Mali z.B. werden viele Gemeinsamkeiten betont - von den Leuten, die das Land zusammen halten wollen.

    • @nzuli sana:

      Das hat sich insgesamt wenig verändert. Sprache und Kultur sind ziemlich verschieden.



      Allerdings gibt es im Osten des Lands (Wasolon, Präfektur Mandiana) Maninka- (Malinke )sprachige Gruppen, die sich selbst als Fula (=Peul auf Maninka) bezeichnen und auch von anderen so bezeichnet werden. Diese Gruppen haben sich in den letzten 200 Jahren herausgebildet.



      Einzelne Dörfer mit demselben Phänomen finden sich fast im gesamten Maninka-Gebiet Guineas.



      In größeren Dörfern zwischen den Maninka-Städten Kankan und Siguiri scheint sich das Phänomen im Kleinen zu widerholen. Statt wie früher Viehzüchter, sind es nun Händler (häufig ähnlich einem Berliner Spätkauf, nur ohne Alkohol), die als Peul im Maninka-Gebiet arbeiten und deren Kinder besser Maninka als Poular sprechen.

      In der Hauptstadt gibt es einige Ehen zwischen Maninka und Poular (Peul). Die Zugehörigkeit richtet sich (scheinbar) nach dem Vater. Allerdings können viele die Sprache der Mutter oder die Sprache der Umgebung (Susu) besser als die des Vaters. Witzigerweise sprechen also diejenigen, die als Peul gelten, besser Maninka und umgekehrt.

  • Machen wir uns keine Sorgen- das Militär regiert dort unten letztlich seit dem die Franzosen das so wollten- als Preis für die Unabhängigkeit in Guinea als dem 1.Land. Auch diese Wahl wird NICHTS ändern, wie die ganzen Wahlversuche davor.Die Einheimischen wissen, und bestätigen mir das.

    • @ophorus:

      Das ist ein Peul-Narrativ.

      In Guinea regiert aber nicht das Militär. Es ist eher die Frage, wo und inwiefern der statt überhaupt existiert.

      Richtig ist, dass eine Präsidentschaftswahl nicht viel ändern kann/wird. Es geht eher um ethnischen Stolz.



      Wie sollte man auch praktisch ohne Steuereinnahmen etwas gestalten können?



      Gleichzeitig: Condé und auch Ouattara gelten als Frankreich- (und USA-) freundlich. Es gibt Wähler von beiden, die sagen, dass in einigen Punkten die radikaleren Dadis Camara (Guinea) und Laurent Gbagbo (CI) richtiger lagen.

      Der Peul-Kandidat Diallo gehörte übrigens zum alten Regime von Lansana Conté. Ebenso Sidiya Touré, der populärste Kandidat Niederguineas.