Wahlen in Afghanistan beendet: Dem Talibanterror getrotzt
Die Präsidentenwahl in Afghanistan ist vorbei. Jetzt wird ausgezählt. Fast alle Wahllokale konnten trotz Angriffen der Taliban öffnen. Beobachter berichten von einer niedrigen Beteiligung.
KABUL afp | Die Präsidenten- und Provinzwahl in Afghanistan ist in den meisten Landesteilen weitgehend störungsfrei verlaufen. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sprach zum Zeitpunkt der Schließung der Wahllokale am Donnerstag von einem "ermutigenden" Verlauf, auch Vertreter der UNO und der Wahlkommission zeigten sich erleichtert. In der Stadt Baghlan im Norden verhinderten Rebellen jedoch die Öffnung der Wahllokale.
Er wolle den Tag nicht vor dem Abend loben, sagte der UN-Sondergesandte für Afghanistan, Kai Eide. Aber er sehe mit Genugtuung, dass die Wahlen "ziemlich gut" verliefen. Dem Sprecher der Wahlkommission zufolge konnten 95 Prozent der landesweit 6500 Wahllokale öffnen.
Nur 312 Wahllokale seien geschlossen geblieben, sagte der Sprecher ohne Angaben von Gründen. Von 16 weiteren gebe es keine Informationen. Die Beteiligung sei "sehr gut", ein Anteil von rund 50 Prozent könne erwartet werden. Unabhängige Beobachter sprachen dagegen von einer niedrigen Wahlbeteiligung. Es seien "mehr Wahllokale geöffnet" gewesen als bei der Wahl 2004, sagte der NATO-Generalsekretär.
Der schwerste Zwischenfall wurde aus dem Norden berichtet. Aufständische stürmten die Kleinstadt Baghlan und verhinderten dort die Öffnung der Wahllokale. Bei heftigen Kämpfen seien "22 Terroristen getötet" worden, sagte der Provinzpolizeichef Mohammed Kabir Andarabi. Auch der örtliche Polizeichef sei ums Leben gekommen. Der afghanische Geheimdienst gab die Zahl der gefundenen Leichen von Angreifern mit acht an. Der Leiter der nationalen Wahlkommission, Asisullah Lodin, bestätigte, dass in Baghlan die Wahl unterbrochen worden sei.
Die gleichnamige Provinz Baghlan gehört zum Regionalkommando Nord, für das die Bundeswehr im Rahmen der NATO-geführten ISAF-Mission zuständig ist. Das örtliche Kommando wird von einem in der Stadt Pul-e-Chumri ansässigen ungarisch geführten und besetzten Provincial Reconstruction Team (PRT) ausgeübt. Die Kleinstadt Baghlan liegt etwa 70 Kilometer südlich von Kundus.
Im Osten Kabuls erschoss die Polizei zwei Aufständische, die sich mit Komplizen in einem Haus verschanzt hatten und das Feuer eröffneten. Nach Angaben eines Sprechers des Verteidigungsministeriums ereigneten sich in Kabul vier Explosionen. Auch im unruhigen Süden und Osten des Landes wurden Bomben- und Raketenexplosionen gemeldet. Laut amtlichen Angaben gab es mehrere Verletzte.
Die Präsidentschafts- und Provinzwahlen fanden unter großen Sicherheitsvorkehrungen statt. Rund 300.000 einheimische und ausländische Sicherheitskräfte waren aufgeboten, die Wahllokale abzusichern. Die aufständischen Taliban hatten zum Wahlboykott aufgerufen und mit Anschlägen gedroht. 17 Millionen Wahlberechtigte waren zur Stimmabgabe aufgerufen.
Als Favorit für die zweite Präsidentschaftswahl seit dem Sturz der radikalislamischen Taliban vor acht Jahren gilt Amtsinhaber Hamid Karsai. Allerdings könnte ihn sein härtester Konkurrent, Ex-Außenminister Abdullah Abdullah, diesmal in eine Stichwahl zwingen. Abdullah sprach von einem "Tag des Wandels, einem Tag der Hoffnung" bei der Stimmabgabe in Kabul. Die Auszählung der Stimmen soll bis zum 2. September abgeschlossen sein. Erste Teilergebnisse werden für den 25. August erwartet. Die Bekanntgabe des amtlichen Endergebnisses ist für den 17. September geplant.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Scholz zu Besuch bei Ford
Gas geben für den Wahlkampf