Wahlen in Ägypten: Liberale immer mehr im Abseits
Bei den Wahlen zur Volksversammlung führen die islamistischen Parteien. Eine liberale Partei will die Wahl des Schura-Rates boykottieren - sie sei nunmehr "Religionswettbewerb".
KAIRO rtr | Kurz vor dem Abschluss der Wahlen zur ägyptischen Volksversammlung geraten die liberalen Kräfte immer weiter ins Abseits. Ein Sieg der islamistischen Parteien zeichnete sich schon vor der letzten Wahlrunde ab, die Anfang Januar begann. Nun kündigte eine säkulare Partei an, die ab Ende Januar beginnende Wahl des Schura-Rates zu boykottieren.
Die zweite Parlamentskammer hat eine beratende Funktion. Die Wahlen dazu sollen bis Ende Februar abgeschlossen sein. Die Freie Ägyptische Partei erklärte am Dienstag, der Wahlprozess habe den Charakter eines Religionswettbewerbs angenommen. Den religiösen Parten warf sie Verstöße in den bisherigen Wahlgängen vor. Aus Protest dagegen werde sie die Abstimmung zum Schura-Rat boykottieren.
Für die säkularen Kräfte Ägyptens könnte dies eine weitere Schwächung bedeuten. Die Islamisten dürften in der Volksversammlung rund 60 Prozent der Mandate gewinnen. Die Muslimbrüder sehen ihren Anteil bei rund 40 Prozent. Auf die radikaleren, ultra-konservativen Salafisten werden voraussichtlich etwa 20 Prozent entfallen. Die unter dem früheren Präsidenten Husni Mubarak verbotenen Muslimbrüder gelten schon jetzt als klarer Gewinner der Wahl.
Muslimbrüder profitieren von ihrer kontinuierlichen Basis-Arbeit
Sie profitieren von ihrer intensiven und kontinuierlichen Arbeit an der Basis der Gesellschaft. Die säkularen Parteien konnten die Ägypter hingegen offensichtlich kaum überzeugen. Der liberale Ägyptische Block und die Wafd-Partei können mit je neun Prozent der Stimmen rechnen. Anhänger des durch einen Volksaufstand gestürzten Ex-Präsidenten Husni Mubarak dürften auf etwa vier Prozent der Stimmen gekommen.
Die erste Wahl nach dem Sturz Mubaraks im Februar ist ein wichtiger Teil des geplanten Übergangs von einer Militär- zu einer Zivilregierung. Wahlbeobachter bezeichneten die bisherigen Wahlrunden, die im November begannen, als relativ fair und frei von Unregelmäßigkeiten.
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