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Wahlbetrug-Vorwürfe im IranRegierung verbietet Oppositions-Demo

Im Iran streiten Regierung und Opposition weiter über die Echtheit des Wahlergebnisses. Der geistliche Führer Chamenei lässt Vorwürfe prüfen. Eine Protest-Kundgebung wurde verboten.

Rund 170 Personen wurden nach Polizeiangaben festgenommen, darunter auch mehrere führende Reformer. Bild: ap

TEHERAN dpa Angesichts der äußerst gespannten Lage im Iran hat Oppositionsführer Mir Hussein Mussawi eine für diesen Montag geplante große Protestkundgebung abgesagt. Das Innenministerium hatte die Veranstaltung zuvor verboten. Mussawi verurteilte diese Entscheidung, rief seine Anhänger jedoch auf, ohne Erlaubnis der Behörden keine Protestkundgebung abzuhalten. Oppositionelle äußerten wegen der massiven Vorgehensweise der Sicherheitskräfte die Sorge, dass die Situation eskalieren könnte.

Der Reformpolitiker hatte nach offiziellen Angaben die Präsidentenwahl am Freitag gegen Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad klar verloren, zweifelt die Ergebnisse allerdings an. Vielfach ist von "Wahlbetrug" die Rede. Der oberste Führer des Landes, Ajatollah Ali Chamenei, beauftragte den Wächterrat am Montag, die Vorwürfe sorgsam zu überprüfen.

Augenzeugen beschrieben die Lage in Teheran als "äußerst gespannt". Trotz Verbots versammelten sich nach Angaben des US-Senders CNN zahlreiche Mussawi-Anhänger an der Teheraner Universität. "Sie skandieren Slogans wie "Tod dem Diktator"", schilderte ein Augenzeuge die Lage. "Wir sind hier, und wir bleiben hier", riefen die Demonstranten. Ahmadinedschad verschob kurzfristig eine für Montag nach Russland geplante Reise.

Die Mussawi-Kundgebung sollte auf dem "Platz der Freiheit" in der Teheraner Innenstadt stattfinden. Dabei wollte sich Mussawi auch erstmals seit der Wahl mit einer Rede ans Volk wenden. Mussawi sieht sich selbst als rechtmäßiger Sieger und verlangt, die Wahl wegen Unregelmäßigkeiten für null und nichtig zu erklären. Nach offiziellen iranischen Angaben hat Ahmadinedschad die Wahl mit fast 63 Prozent klar gewonnen, Mussawi erhielt danach lediglich knapp 34 Prozent.

Die Unruhen waren nach der umstrittenen Wiederwahl Ahmadinedschads ausgebrochen, auch am Sonntagabend kam es in der Hauptstadt Teheran zu Ausschreitungen. Aus verschiedenen Stadtteilen berichteten Augenzeugen von Zusammenstößen zwischen Anhängern Mussawis und der Polizei. Die meist jungen Demonstranten zündeten Reifen und Mülltonnen an.

Mit Schlagstöcken bewaffnete Einsatzkräfte versuchten, in der Innenstadt eine große Menschenmenge aufzulösen. Sie feuerten den Angaben zufolge Schüsse in die Luft und setzten Tränengas ein. Zudem versuchten sie, die Anhänger Ahmadinedschads und Mussawis auseinanderzuhalten.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International verurteilte das gewaltsame Vorgehen der iranischen Sicherheitskräfte gegen Demonstranten. Die "schockierenden Szenen der Gewalt" durch Sicherheitskräfte sollten untersucht und geahndet werden, forderte die Organisation in einer Mitteilung. Nach Darstellung von Amnesty wurden während der Unruhen mindestens 170 Menschen festgenommen. Die iranischen Behörden sprachen dagegen von 60.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier bestellte den iranischen Botschafter für diesen Montag in das Auswärtige Amt ein. Steinmeier äußerte sich erneut besorgt über die Entwicklung im Iran. Das Vorgehen iranischer Sicherheitskräfte gegen Demonstranten und ausländische Journalisten sei inakzeptabel, sagte der Vizekanzler am Sonntagabend in den ARD-"Tagesthemen". Internationale Medien beklagen erhebliche Behinderungen und Übergriffe durch die iranische Polizei.

Die Europäische Union sucht trotz Besorgnis weiter den Dialog mit der politischen Führung in Teheran. Europa wolle auf jeden Fall weiterhin mit dem Volk und der Führung des Irans im Gespräch bleiben, sagte EU-Chefdiplomat Javier Solana zu Beginn eines Treffens der EU-Außenminister in Luxemburg. "Es gibt eine Menge Dinge, die wir gemeinsam tun sollten." Finnlands Außenminister Alexander Stubb forderte: "Wir sollten den Dialog aufrechterhalten. Das müssen wir Europäer tun und hoffentlich auch die USA, die ebenfalls an Bord sein sollten."

EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner erklärte: "Ich hoffe, dass der Iran alle Beschwerden über Unregelmäßigkeiten prüfen wird." Sie habe großen Respekt vor allen iranischen Bürgern, die ihre Unzufriedenheit gezeigt und friedlich demonstriert haben.

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12 Kommentare

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  • W
    wa(h)r(halt)heit

    @richard: wenn du von OBJEKTIVITÄT sprichst, solltest du dir aber mehrere Quellen genau anschauen

     

    direkt auf der von dir angegeben Seite beispielsweise verweist ein User auf diese Seite

     

    http://www.guardian.co.uk/world/2009/jun/15/iran-election-analysis-figures

  • A
    aso

    @ antiimperialismus:

    „...die westlichen Schurkenstaaten...“:

     

    sind also Schuld, daß das Volk von der klerikalfaschistoiden Diktatur genug hat, und die Mullahs sich genötigt sehen die Wähler zu betrügen...

     

    Und die deutsche Wirtschaft sollte sich besser erpressen lassen, und besser mit solch einer totalitären als Demokratie getarnten Diktatur zusammenarbeiten, damit keine Verträge flöten gehen?

    Dann lieber ein paar Arbeitslose mehr. Mit Ihrer Argumentation hätte man auch besser mit den Nazis Geschäfte machen sollen...

  • R
    richard

    Hier ein Link für die Leute die behaupten, man habe die Wahlen manupoliert.

    http://www.payvand.com/news/09/jun/1150.html

    Also einwenig Objektivität wäre sehr gut.

  • A
    antiimperialismus

    Es ist nicht zu übersehen, daß die westlichen Schurkenstaaten die Fäden im Hintergrund ziehen. Dafür weden sie aber eine dicke Rechnung bekommen. Erst wenn die deutsche Wirtschaft einige Verträge verliert, wird die deutsche Politik sich besser überlegen bevor auf Anordnung der Zionisten agiert.

  • L
    Lami

    Naja ich bin auch nicht für Regie von Staaten durch wenige, will damit sagen das nur wer gegen das "Böse" ist, noch lange nicht DAS GUTE IST, bezieht sich auch auf alles andere was sich GEMEINschaft nennt

  • A
    aso

    Kriminelle auf Motorädern...kannte man bisher vorzugsweise aus japanischen Gansterfilmen.

    Diese schwarzgekleideten knüppelschwingenden Revolutionswächter auf ihren Motorrädern...das sieht irgendwie Fascho aus , oder?

    Was meinen die Experten der Antifa dazu?

  • L
    Lami

    Was geschmacklos?

    Wenn man den Maßstab der Opfer seiner Wahlmanipulation anlegt, liegt die so bei 3 Millionen getöter Menschen direkt durch Herren Bush seinem Senat alle die für ihn gestimmt, unterstützt haben ....usw. 5 Krieg angezettelt ... das hat kein Chavez und keine Mulah regierung geschafft herzlichen glückwunsch an die Demokratien dieser Welt...

  • K
    kritiker

    ich bin wahrlich kein freund der alten bush-regierung und -politik. aber die zustände jetzt hier im iran mit der wahl 2000 in den usa zu vergleichen ist schon etwas toll und geschmacklos!

    ein mensch wie ahmadinedschad gehört auf keinen regierungssitz der welt! so ein übler reaktionär, fundamentalist und antisemit, der sich maßlos selbst überschätzt und damit sein ganzes volk in gefahr und verruf bringt!

    man kann nur hoffen, dass es zu möglichst friedlichen veränderungen und reformen kommt. menschen setzen ihr leben aufs spiel, um das zu erreichen, was wir hier gerade tun. frei und ohne zwang zu diskutieren, v.a. ohne gefahr.

    schäuble und sein großer überwachungsmechanismus ist ein thema. bei allen respekt für die iraner sollte man das nicht vermengen, die sich mutig in den weg dieses diktators stellen.

    ich frage mich nur, warum so ein böser antisemit so dicke mit dem ober-sozi (ja fast kommunist) chavez ist, außer dass dieser sich auch ne kleine diktatur aufbaut in caracas

  • N
    Nassauer

    Wird Zeit, dass der seit 30 Jahren von den Mullahs geknechtete Iran mal rebelliert - Viel Erfolg!

  • KZ
    Klaus Zerbe

    Wahrscheinlich kommen Schäuble und Zensursula auch mal vorbei. Die können von den Iranern bestimmt noch was lernen- oder sich ein paar Jubelperser bestellen, welche die Regierungspolitik hochloben.

  • L
    Lami

    Scheinen sich wohl die knappe Millarde für die Destabilisierung des Irans, die der Herr Bush bewilligt hat wohl bezahlt zu machen...

  • M
    moritz22

    Soso, Steinmeier bestellt also den iranischen Botschafter ein. Interessant. Hat eigentlich damals jemand den US-amerikanischen Botschafter einberufen, als George W. Bush mit Hilfe von Wahlmanipulationen an die Macht kam??? Oder als die Folterbilder um die welt gingen??? Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern. Aber so ist Steinmeier: Wenn es gerade in den Kram passt: draufhauen. Sobald es gefährlich werden könnte, ducken und den Kopf einziehen.