Wahl zum neuen ORF-Generaldirektor: Parteien mischen mit
Wer leitet künftig den ORF in Österreich? Diese Frage wird am Dienstag entschieden. Es zeigt sich einmal mehr, welche Rolle die Politik dabei spielt.
Von den 35 Stiftungsräten, denen die „Wahl“ obliegt, sind 18 direkt oder indirekt von der konservativen ÖVP entsandt. Damit keiner aus Gewissensgründen ausscheren kann, wird diesmal nicht geheim, sondern offen abgestimmt. Auch die drei grünen Stimmen werden – gegen das Nominierungsrecht für zwei Posten auf der zweiten Ebene des ORF – in die Waagschale geworfen. Medien berichten daher seit Wochen nur mit Sarkasmus oder Zynismus über das Ritual, bei dem zehn Kandidaten und vier Kandidatinnen zunächst in einem Hearing ihre Vorstellungen von der Zukunft des ORF präsentieren dürfen.
Früher, als Mehrheiten gefunden werden mussten, gab es Abstimmungsrunden, aus denen manchmal ein Kompromisskandidat als Sieger hervorging. Der amtierende Generaldirektor Alexander Wrabetz, der eigentlich politisch der SPÖ zugerechnet wird, hat sich dabei als so elastisch erwiesen, dass er drei Amtsperioden in Folge dienen durfte – mehr als jeder seiner Vorgänger.
Diesmal werden ihm kaum Chancen eingeräumt. Er hat zwar, wie die Opposition klagt, zugelassen, dass die „Zeit im Bild 1“, die wichtigste Nachrichtensendung des Tages, zu Sebastian-Kurz-Festspielen verkommen ist, doch stellt er sich meist mannhaft vor seine Redakteurinnen und Redakteure, wenn sie von politischer Seite attackiert werden. Und in den Spätnachrichten, der „Zeit im Bild 2“, darf Armin Wolf weiterhin Politiker mit seinen scharfen Fragen löchern und darauf aufmerksam machen, dass sie seine Fragen nicht beantwortet haben. Und der Radio-Kultursender Ö 1, der täglich 24 Stunden werbungsfreien Qualitätsrundfunk liefert, ist für den Geschmack von ÖVP und FPÖ linksgrün verseucht.
Aussichtslose Kandidaten
Sämtliche ernstzunehmende Bewerber und die einzige bekannte Bewerberin kommen aus dem Haus. Als Erste wagte sich Lisa Totzauer, Channel-Managerin von ORF 1, aus der Deckung. Ihr wird zwar Kompetenz und ÖVP-Nähe attestiert, doch ist sie nicht die Wunschkandidatin des Bundeskanzlers. Sie habe zu viel Eigenständigkeit bewiesen, meinen Insider.
Online-Direktor Thomas Prantner weist gerne darauf hin, dass er nicht der Kandidat der FPÖ ist, als der er wegen seiner einschlägigen Vergangenheit gemeinhin gesehen wird. Zehn Kandidaten sind so aussichtslos, dass sie schon im Vorfeld als „ferner liefen“ abgetan werden. Der Favorit Roland Weißmann hat seine Kandidatur erst spät offiziell gemacht. Er weiß, dass er keinen Wahlkampf braucht.
Man sollte meinen, dass der ORF vor einer so wichtigen Weichenstellung die Kandidaten vorstellt und in Diskussionsrunden einlädt, ihre Pläne für Digitalisierung, wachsende Konkurrenz der Privaten und Verhältnis zur Politik auszuführen. Nichts dergleichen. Nur der Privatsender Puls24 brachte eine solche Runde zustande, bei der um das heiße Thema der politischen Einflussnahme wacker herumgeredet wurde.
Politisch organisierte „Freundeskreise“
Der bekannte Verfassungsjurist Heinz Mayer tobt seit Tagen auf Twitter gegen die bevorstehende Farce und erinnert die Stiftungsräte an ihre zivilrechtliche Haftbarkeit „wenn nicht der beste Bewerber, die beste Bewerberin gewählt wird“. Er warnt: „Das kann teuer werden, wenn eine Klage kommt.“
Sebastian Kurz hat sich nie zu seinen Vorstellungen vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen geäußert. Wird er auf die bevorstehende „Wahl“ angesprochen, erwidert er, das sei Sache des Stiftungsrates, als habe er nie von den politisch organisierten „Freundeskreisen“ in diesem Gremium gehört.
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