Wahl zum Vogel des Jahres: Die große Piepshow
Erstmals dürfen wir den Vogel des Jahres wählen. 307 heimische Vögel hat der Nabu zur Abstimmung gestellt. Wir haben unsere Favoriten schon gefunden.
Ente gut, alles gut
Fragt jemand, als welches Tier ich eines Tages wiedergeboren werden will, ist die Antwort für mich eindeutig: als Stockente, der Löwin der Tümpel. Die Stockente vereint einen entspannten Lifestyle (schlafen, treibenlassen, zum Essen untertauchen, schlafen), smaragdschimmernden Kopfschmuck und schier unendliche Begabung.
Im Gegensatz zu Ranglisten-Spitzenreitern wie dem hübschen, aber talentfreien Goldregenpfeifer oder der Stadttaube, die ihren Spitzenplatz bestenfalls Mitleid, wenn nicht Ironie, zu verdanken hat, beherrscht die Stockente alle vier Elemente: Sie kann laufen, fliegen, schwimmen und irgendwas mit Feuer bestimmt auch. Bei ihren Fähigkeiten setzt die Stockente aber nicht auf den großen Aufriss, muss sie auch gar nicht, definiert sich echte Coolness doch immer über die Abwesenheit von Initiative.
Der Nachwuchs wiederum ist niedlich, im Gegensatz zu verzogenen Singvogel-Nestkreischern aber total eigenständig – er durchschwimmt bereits Stromschnellen, während das Goldregenbaby gerade den Wurm wieder ausspuckt, weil die Eltern mal wieder nicht gut genug vorgekaut haben.
Die Stockente ist uns allen überlegen, wir sollten dankbar sein, wenn sie unsere Auszeichnung annimmt. Quentin Lichtblau
Glaube an Taube
Lange hatte die Stadttaube einen schlechten Ruf: Sie kackt zu viel, vermehrt sich zu schnell und wurde zu oft beim Herumstochern in Erbrochenem erwischt. Aber jetzt scheint sich etwas zu ändern. In der Abstimmung zum Vogel des Jahres läuft es gut für sie.
Und das zu Recht. Denn die Stadttaube ist schlau, frisst – wenn möglich – lieber Körner als unsere Reste und überträgt entgegen des Klischees potentiell nicht mehr Krankheiten als andere Vögel. Also, kein Grund zur Flucht, wenn Ihnen das nächste Mal eine Taube in der U-Bahn-Station zu nah kommt. Schauen Sie stattdessen mal genauer hin. Haben Sie die grünlich schillernden Akzente an Hals und Nacken schon mal bemerkt? Den zarten Kopf und die aufmerksamen Augen? Ein Stück Natur mitten in der Stadt.
Und nehmen Sie es der Taube bitte nicht übel, wenn Sie Ihnen im Gegenzug nicht ihre ganze Aufmerksamkeit schenkt. Vermutlich kennt sie Sie bereits. Denn – ein Aspekt, den Sie auch bei der Wahl bedenken sollten – Tauben merken sich Gesichter. Lena Wrba
O Krähe, wenn ich dich sehe
Im urbanen Alltag begegnen wir im Wesentlichen zwei Sorten von Vögeln. Den scheuen, die wegfliegen, wenn wir ihnen zu nahe kommen, und die wir manchmal eher hören als sehen: den Amseln, Nachtigallen, Staren. Sie haben ihr Tierhaftes auch in der Stadt behalten.
Und denen, die wir füttern können, weil sie sich füttern lassen, und dadurch, leider, auch immer etwas Devotes haben: den Tauben, Enten, Schwänen, Möwen und Spatzen. Und dann sind da die Nebelkrähen. Sie sind nicht scheu und nicht devot. Sie machen einfach ihr Ding. Sie bewohnen die Städte wie eine Parallelpopulation.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder im praktischen Wochenendabo. Und rund um die Uhr bei Facebook und Twitter.
Sie hängen gern an Nichtorten ab, auf Marktplätzen, Busbahnhöfen, Gleisen. Sie wirken ernsthaft geschäftig, wenn sie an Plastikpackungen herumnesteln, von A nach B staksen oder Dinge in die Welt hinauskrähen. Krähen sollen übrigens auch sehr intelligent sein, liest man oft. Stimmt bestimmt, aber das müssten sie gar nicht. Weil sie schon so irre cool sind. Michael Brake
Herzensgruß an den Blaufuß
Vögel fliegen am Himmel um die ganze Welt (jedenfalls sehr viele von ihnen). Ein nationales Vogelvoting ist daher unfreiwillig komisch. So unfreiwillig komisch wie der Vogel, der es verdient hätte, internationaler Vogel des Jahrhunderts zu werden: der Blaufußtölpel. Anders als sein Name suggeriert, weiß der Vogel sehr wohl um seine wunderschönen Füße und zeigt sie gern her. Er hebt sie leicht seitlich angewinkelt auf Bauchhöhe und möchte mit dieser Füßeltechnik Werbung für Geschlechtsverkehr machen. Die Tölpelladys haben leider keine Blaufüße, stehen aber drauf.
Vor allem, weil sein Träger ein smarter Typ ist: Er kann nicht nur fliegen (nice!), sondern auch tauchen. Aber vor allem kann er ein Gesicht machen, das man angesichts des derzeitigen gesellschaftlichen Diskursniveaus jeden Tag aufsetzen möchte. Und ganz ehrlich, wer würde es nicht vorziehen, jemandem statt einen Vogel lieber einen blauen Fuß zu zeigen? Doris Akrap
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen