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Wahl in PankowBürgerlich auch ohne CDU

Welche Direktkandidaten machen das Rennen? Die taz schaut auf die umkämpften Wahlkreise. In Pankow will Stefan Liebich (Linke) sein Mandat verteidigen.

Briefwahl ist auch sofort vor Ort möglich Foto: dpa

„Ich bin wieder hier, in meinem Revier, war nie richtig weg, hab mich nur versteckt.“ Eigentlich könnte der CDUler Gottfried Ludewig den Song von Marius Müller-Westernhagen für seinen Wahlkampf in Pankow verwenden. Er war ja schon 2009 hier Bundestagskandidat, pausierte 2013 und ist es jetzt wieder.

Das Revier ist allerdings längst nicht mehr dasselbe, er selbst nicht mehr derselbe. Als Ludewig vor acht Jahren antrat, war seine Partei in Pankow vierte Kraft, hatte eine ähnliche Rolle wie in Friedrichshain-Kreuzberg: keine Chance auf Mandate und weit hinter Linkspartei, SPD und Grünen. Diesmal hingegen schien Ludewig zwischenzeitlich sogar Chancen auf den Sieg im Wahlkreis zu haben.

Dass so etwas überhaupt in Reichweite ist, hatte vor vier Jahren Lars Zimmermann gezeigt, ein vorher weitgehend unbekannter unkonventioneller CDU-Mann. Der ließ Sozis und Grüne – die sich vorher in einem Linke-Parteien-Dreikampf um den Wahlkreissieg wähnten – hinter sich und blieb nur ein paar Prozentpunkte hinter Stefan Liebich von der Linkspartei.

Versteckt, wie Müller-Westernhagen singt, hatte sich Ludewig damals allerdings nicht, bloß andere Schwerpunkte gesetzt. Er, 2009 noch Chef der CDU-nahen Studentenvereinigung RCDS und so eine Art jugendlicher Parteirevoluzzer, der bundesweit mit der Forderung Schlagzeilen machte, dass Berufstätige bei Wahlen doppelt so viel Stimmrecht wie Rentner und Hartz-IV-Bezieher haben sollten, ging 2011 in die Landespolitik und wurde ins Abgeordnetenhaus gewählt. Dort ist er inzwischen Vizefraktionschef.

Dass die CDU im Bezirk vorne mit dabei ist, hat für Ludewig einen klaren Grund. „Pankow ist ein zutiefst bürgerlicher Bezirk“, hat er jüngst gesagt. Da mag er recht haben, zumindest wenn man samstagmorgens auf dem Kollwitzplatz einkaufen geht, den Blick auf Prenzlauer Berg verengt und außer Acht lässt, dass der Bezirk noch ganz andere Gesichter hat. Profitieren konnte die CDU allerdings bislang nicht von dieser echten oder vermeintlichen Bürgerlichkeit.

Bei der Abgeordnetenhauswahl 2016 gingen fünf der neun Pankower Direktmandate an die SPD, zwei an die Grünen, je eins an die Linke und die AfD – und keins an die CDU.

Die These vom bürgerlichen Bezirk passt aber durchaus zum Wahlsieger: Dass Stefan Liebich den Wahlkreis schon zweimal für die Linkspartei gewonnen hat, hat viel damit zu tun, dass Liebich neben Gregor Gysi so in etwa das Bürgerlichste ist, was seine Partei in Berlin zu bieten hat. Gemäßigt, eloquent, belesen, angenehm im Umgang, anerkannt über Parteigrenzen hinweg. Als Außenpolitiker gehört er ohnehin zur qua Jobbeschreibung gemäßigten Diplomatenriege unter den Bundestagsabgeordneten.

Quasi übernommen hat er den Wahlkreis von SPD-Urgestein Wolfgang Thierse, gegen den er zweimal vergeblich antrat, bis er 2009 erstmals gewann. Liebich kämpft für seine Interessen und die seiner Partei – aber seine Art zu kämpfen ist wohl weniger verletzend als die mancher Parteikollegen. Das macht ihn offenbar für Menschen wählbar, die nicht automatisch auf jedem Wahlzettel Die Linke ankreuzen – zumindest schneidet er sehr viel besser ab als seine Parteifreunde bei der Abgeordnetenhauswahl.

Die Kandidaten von SPD und Grünen werden dabei schier zu Adabeis, wie es in München heißen würde, bloß weiteren Namen auf dem Wahlzettel: Sozialdemokrat Klaus Mindrup, der 2013 auch ohne Wahlkreissieg über die Landesliste seiner Partei in den Bundestag kam, und Stefan Gelbhaar, bisher für die Grünen im Abgeordnetenhaus.

Die taz-Prognose

Prognose: Liebich wird gewinnen dank guter Performance, deutlich steigenden Linkspartei-Werten in Berlin und bröckelnden Merkel-Rückhalts.

Kurioserweise kann es dazu kommen, dass alle vier nach dem 24. September gemeinsam im Bundestag sitzen, obwohl nur einer den Wahlkreis gewinnen kann: Alle haben sichere bis aussichtsreiche Plätze auf den Landeslisten ihrer Parteien.

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