Wahl in Nigeria verlängert: Die Technik streikt
Auch der Präsident muss Schlange stehen: In Nigeria wird weitgehend friedlich gewählt, in einzelnen Bezirken noch bis Sonntag.
BERLIN/ABUJA taz | Mit technischen Problemen, aber weitgehend friedlich haben am Samstag in Nigeria die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen begonnen. Die Wahlkommission INEC verlängerte den Urnengang in einzelnen Stimmbezirken am Nachmittag auf Sonntag, nachdem klar wurde, dass die Stimmabgabe nicht überall bis zum Abend abgeschlossen sein würde.
Über 58 Millionen Nigerianer sind wahlberechtigt und müssen in einem komplizierten Prozedere mehrmals Schlange stehen, um ihre Stimme abzugeben. Am Vormittag werden sie „akkreditiert": Die Wahlhelfer übrprüfen ihre biometrischen Wählerausweise mit Lesegeräten, markieren die Finger der Wähler mit nicht abwaschbarer Tinte und geben ihnen Nummern, so dass eine Art aktuelles Register aller zum Wählen erschienenen Bürger entsteht. Am Nachmittag dürfen dann diese akkreditierten Wähler ihre Wahlzettel entgegennehmen, gegen Vorzeigen ihrer Nummer, und in die Urne werfen.
Die elektronische Verifizierung und die Numerierung der Wahlbeteiligten sollen verhindern, dass Stimmen mehrmals abgegeben oder im Wahllokal Stimmen gewertet werden können, die gar niemand abgegeben hat. Abzugeben sind drei Stimmen: einen für den Präsidenten und je eine für die beiden Parlamentskammern. Ausgezählt wird im Wahllokal. Bei der Präsidentschaftswahl wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Amtsinhaber Goodluck Jonathan und Oppositionsführer Muhammadu Buhari erwartet, was einen über jeden Zweifel erhabenen Wahlvorgang besonders wichtig macht.
Vielerorts funktionierten am Samstagvormittag die Lesegeräte nicht, oder die Wahlhelfer konnten sie nicht bedienen. Sogar Präsident Jonathan musste eine halbe Stunde auf seine „Akkreditierung“ warten, als er gemeinsam mit seiner Frau und seiner Mutter zum Wahllokal in seinem Heimatstaat Bayelsa kam, weil das Lesegerät nicht auf Anhieb funktionierte. Er rief die Bürger zur Geduld auf: „Ihr seht wie ich schwitze“, erklärte er im Fernsehen. „Wenn ich warten kann, dann rufe ich alle Nigerianer auf, auch geduldig zu sein.“
Schutzfolie nicht vom Lesegerät entfernt
Mancherorts tauchten die Wahlhelfer erst mittags auf, was den ganzen Zeitplan ins Wanken brachte. An manchen Orten erkannten die Lesegeräte die vorgegebenen INEC-Passworte nicht an, in manchen erkannten sie keinen einzigen Wählerausweis an. Im nördlichen Bundesstaat Kaduna sprach Nasir el-Rufai, Gouverneurskandidat des Oppositionsbündnisses APC (All Progressives Congress) von „absichtlichem Wahlrechtsentzug“, nachdem um 10 Uhr vormittags in seinem Wahllokal noch nichts funktionierte.
In einem Wahllokal in Lagos, berichteten Wähler, bemerkte ein hinzugerufener hochrangiger INEC-Mitarbeiter schließlich, dass die Wahlhelfer vergessen hatten, beim Auspacken der frisch angelieferten Lesegeräte die Schutzfolien vor den Kameras zu entfernen, mit denen die Wählerausweise gescannt werden. „Nach einem langen Disput überzeugte er die Wahlhelferin, die Folie zu entfernen. Das Gerät erkannte daraufhin nicht nur die zuvor zurückgewiesenen Wählerausweise an, sondern funktionierte schneller als vorgesehen“, sagt Wählerin Amaka Linda. Diese wundersame Lösung des „technischen Problems“ wurde daraufhin in Windeseile über soziale Netzwerke landesweit verbreitet.
Autobombe entschärft
Erschwert wurde der Wahltag dadurch, dass die Webseite der Wahlkommission INEC, auf der sich detaillierte Anweisungen zum Wahlvorgang befinden, von Unbekannten gehackt wurde und stundenlang nicht zugänglich war.
Vereinzelt gab es auch Sicherheitsprobleme. Im nordöstlichen Bundesstaat Gombe starben mindestens acht Menschen bei einem mutmaßlichen Boko-Haram-Angriff, darunter ein APC-Parlamentskandidat. In Awka, Hauptstadt des östlichen Bundesstaats Adamawa, starb ein Mensch bei einem Anschlag auf ein Wahllokal. An der südöstlichen Stadt Enugu wurde eine vor einem Wahllokal geparkte Autobombe rechtzeitig entdeckt und entschärft.
Abgesehen davon blieb der Wahltag allerdings weitgehend ruhig, auch in den nordöstlichen Kriegsgebieten. Die sonst hoffnungslos verstopften Hauptstraßen der Hauptstadt Abuja und den anderen großen Städten wie Lagos und Kano waren leer: Die Polizei hat aus Sicherheitsgründen jeglichen Autoverkehr während der Öffnungszeit der Wahllokale verboten.