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Wahl in NiedersachsenWeil stellt vor

Bei der SPD geht es vier Monate vor der Landtagswahl in Niedersachsen schon ums Postenverteilen. Die Grünen als potenzieller Koalitionspartner geraten da schon fast in Vergessenheit.

Gut drauf: SPD-Spitzenkandidat Stephan Weil (l) mit seinem Parteifreund Olaf Lies. Bild: dpa

Die Nummer zwei seines Schattenkabinetts präsentiert Niedersachsens SPD-Spitzenkandidat Stephan Weil am heutigen Dienstag: In Hannover stellt er seine KandidatIn für das Kultusressort vor. Vier Monate vor der Landtagswahl im Januar 2013 strotzen die GenossInnen in Niedersachsen vor Zuversicht – und konzentrieren sich darauf, schon jetzt Posten zu verteilen.

Den Auftakt hat Spitzenkandidat Weil am Freitag gemacht, als er den ersten Posten in seinem Team vergeben hat: Im Falle eines Wahlsiegs will er Landtags-Vizefraktionschef Olaf Lies zum Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr machen, verkündete Weil stolz strahlend bei einem SPD-Wirtschaftskongress in Braunschweig. Heute wird er aller Voraussicht nach die Bildungspolitikerin Frauke Heiligenstadt berufen, die als aussichtsreichste Anwärterin für das Kultusministerium gilt.

Dass schon die Personalie Lies „keine Überraschung“ war, räumte Weil selbst ein: Sie galt seit Wochen als ausgemacht. Der 45-Jährige hat sich im Landtag nicht nur in Sachen Wirtschafts und Hafenpolitik einen Namen gemacht. Auch dass sich die Niedersachsen-SPD derzeit geschlossen wie selten gibt, liegt maßgeblich am einstigen Landesvorsitzenden.

Nur knapp gewann Weil vor einem Jahr die Urwahl um die Spitzenkandidatur gegen ihn. Lies zeigte sich als guter Verlierer: Schnell trat er Weil auch den Posten des Parteichefs ab und wurde Stellvertreter – dabei fiel kein böses Wort. Und so rühmte Weil Lies’ „faire Grundhaltung“, als er ihn in Braunschweig als „künftigen Wirtschaftsminister“ präsentierte. Bis Ende Oktober will der Herausforderer von CDU-Ministerpräsident David McAllister KanidatInnen für jedes Ressort vorstellen. Er wolle „die Alternativen klipp und klar auf den Tisch legen, damit die Menschen sich entscheiden können“, sagt er.

Eine Personalie scheint sich unterdessen zerschlagen zu haben: Doris Schröder-Köpf, lange als Familienministerin gehandelt, hat jüngst alle Ambitionen in einem Bild-Interview dementiert. Weil könnte das Ärger ersparen: Schon die Nominierung der Altkanzlergattin als Landtags-Direktkandidatin ist an der Basis höchst umstritten.

Bürger für Weil

Auf der Seite wir-waehlen-weil.de sammelt die Niedersachsen-SPD Menschen, die erklären, warum sie für Stefan Weil brennen. Die taz.nord verrät, wers ist.

Doris Scheibe, ehemalige Chefsekretärin von Gerd Schröder, weil sie sich so eine bessere Kulturförderung erhofft.

Jens Eschrich, Beisitzer im SPD-Ortsvereinsvorstand Walsrode, weil Weil wisse, wo Kommunen der Schuh drückt.

Axel Plaue, Vorsitzender der AWO Hannover und SPD-Fraktionsvorsitzender unter Gerd Schröder, weil der niemandem nach dem Mund reden würde.

Philipp Schmalstieg, Sohn, wäre auch total gern Kandidat geworden, aber vielleicht das nächste Mal, ohne Angabe von Gründen.

Ulrike Enders, Bildhauerin mit vielen Plastiken in Hannover, weil sie ihn für pragmatisch hält.

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Nach Regional und Geschlechterproporz sowie Ausstrahlungskraft will Weil sein Team besetzen. Zugkräftige KandidatInnen braucht er auch. Während intern Siegesgewissheit vorherrscht, ist die Stimmung außerhalb des SPD-Mikrokosmos eine andere: In der letzten NDR-Wählerumfrage von September stürzte die SPD von 36 Prozent im Mai auf 33 ab. Bei der Personenpräferenz büßte Spitzenkandidat Weil ebenfalls drei Prozent ein. Mit 27 Prozent liegt er abgeschlagen hinter Amtsinhaber McAllister mit 46.

Sichtbar schwer fällt es Weil, sich von seinem steifen Auftreten zu lösen. Auch ein Thema, das zu den Menschen durchdringt, fehlt – bislang bleiben Weils Vorstöße eher technokratisch: Die Landesverwaltung will er reformieren, Landesbeauftragte einsetzen, die die Interessen der Regionen vertreten sollen. „Neue Versorgungsposten für die Genossen“, unkt die CDU bereits.

In Vergessenheit gerät bei all der Mühe um den Parteifrieden auch der potenzielle Koalitionspartner: Möglich macht die Aussicht auf einen Regierungswechsel die Stärke der Grünen, die in Umfragen bei 15 Prozent liegen. Ausgerechnet die stößt Weil schon mit seinem Plan, ein neues Ministerium für Europa, regionale Entwicklung und Landwirtschaft zu schustern, vor den Kopf. Im Wahlkampf setzen die Grünen auf den Kampf gegen Massentierhaltung und Agroindustrie – und haben entsprechend Ambitionen auf das dazugehörige Ressort.

Auch Schattenminister Lies provoziert gleich bei seiner Vorstellung: Klar bekannte er sich da zum Autobahn und Häfenausbau, inklusive umstrittener Projekte wie den Ausbau der Küstenautobahn A 20 und der A 39. Gegen beide Vorhaben schlagen die Grünen seit Jahren Alarm.

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1 Kommentar

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    Eckehard Niemann

    Umweltverband kritisiert haltlos-unseriösen Autobahn-Wahlkampf der SPD

     

    Vor dem Hintergrund neuerlicher Autobahnbau-Ankündigungen von Olaf Lies als Wirtschaftsminister-Kandidat im SPD-Schattenkabinett vor der anstehenden Landtagswahl hat der Landesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (LBU) die SPD zu mehr Verantwortungsbewusstsein, Seriosität und Realismus gemahnt. Man solle nicht meinen, dass es die Wähler nicht merken würden, wenn man seinen Wahlkampf mit unhaltbaren Verkündungen zum Bau der Autobahnen A 20 (Glückstadt – Westerstede) und A 39 (Lüneburg – Wolfsburg) bestreite. Angesichts der Unsinnigkeit beider Autobahn-Projekte, des propagierten Vorrangs dringender Autobahn-Reparaturen und der fehlenden Haushaltsmittel werde eine solche Wahlpropaganda immer unglaubwürdiger. Da liege dann der Verdacht nahe, dass man mit „Wahlkampfautobahnen“ nur verschleiern wolle, dass einem wirklich realistische Konzepte einer zukunftsweisenden Verkehrs- und Regionalpolitik fehlten: LBU-Regionalsprecher Günter Schäfers: „Wenn einem sonst nicht einfällt, redet man weiterhin von Autobahnen als Heilsbringern.“

     

    Der LBU erinnerte Lies an seine Äußerung, die er noch im Juni in Ehra (Kreis Gifhorn) zur dortigen Ortsumgehung gemacht hatte: Der Bundesverkehrswegeplan sei unterfinanziert und die finanziellen Mittel „mehr als beschränkt“. Diese Wahrheit, so der LBU, habe sich – trotz des nahenden Wahltermins – seit Juni ja wohl nicht verändert. Der neue Bundesverkehrswegeplan ab 2015 werde noch deutlich restriktiver sein und werde kaum neue Autobahnen enthalten. Und dass Niedersachsen sogar gleich zwei neue Autobahnen bekommen könnte, glaubten die Partei-Wahlkämpfer unterschiedlichster Couleur doch eigentlich selber nicht.

     

    Die Unglaubwürdigkeit dieser Propaganda zeige sich auch daran, dass je nach Standort des Wahlkampfauftritts entweder der Vorrang der A 20 oder der A 39 versprochen werde. So habe der SPD-Vertreter Stefan Schostok am 12.6. in der Nordwest-Zeitung die A 20 als „zentrales Verkehrsprojekt im Norden“ bezeichnet - und kurz darauf in der Lüneburger Landeszeitung den vorrangigen Bau der A 39 versprochen, hinter dem die A 20 mit zehn bis 15 Jahren Verzögerung zurückstehen müsse. Wer so agiere, so der LBU, müsse sich über die Politikerverdrossenheit der Bürger nicht wundern. Dass die CDU da nicht besser sei und die SPD eigentlich nur unkritisch die CDU kopiere, mache die Sache beileibe nicht besser.

     

    Der LBU forderte die SPD und alle Parteien zu einer klaren Absage an unsinnige, unrealistische und schädliche Autobahn-Pläne auf und stattdessen zur Vorlage eines zukunftsfähigen und regionaldienlichen Konzepts für den Ausbau vorhandener und alternativer Verkehrsprojekte.