piwik no script img

Wahl in IslandVom Außenseiter zum Präsidenten

Am Samstag wird in Island gewählt. Präsident dürfte ein Seiteneinsteiger werden, der als Geschichtsprofessor arbeitet.

Blauer Himmel über Jóhannesson: der Weg zur Präsidentschaft ist so gut wie frei Foto: dpa

Stockholm taz | Lagerbäck wäre ein wirklich aussichtsreicher Kandidat“, sagt der Journalist Hörður Jónsson: „Seine Popularität kennt keine Grenzen, er hätte echte Gewinnchancen.“ Aber Lars Lagerbäck, der Trainer, der die isländische Elf der Männer erstmals in ihrer Geschichte zu einer Europameisterschaft führte, tritt bei der isländischen Präsidentenwahl am Samstag nicht an. Könnte er als Schwede auch gar nicht.

Unter den neun KandidatInnen, die am 25. Juni bei dieser Direktwahl um die Gunst der IsländerInnen kämpfen, sind eine Ethnologin und ein Lkw-Fahrer, ein Friedensaktivist, eine Poe­tin und ein ehemaliger Zen­tral­bankchef. Letzterem, Davíð Oddsson, waren vor einigen Wochen noch recht gute Chancen eingeräumt worden, zumal er ein durchschlagendes Argument zu haben schien: „Ich koste euch nichts!“ Als früherem Außenminister und Exministerpräsidenten würden bei ihm Staatspension und Präsidentenbezüge miteinander verrechnet, so dass er „umsonst“ zu haben wäre.

Mit diesem „Billigargument“ hatte sich schon der derzeitige Amtsinhaber Ólafur Ragnar Grímsson vor vier Jahren eine fünfte Amtsperiode gesichert. Bei Oddsson ging das in die Hose. Denn mit ihm und dem Stichwort „Kosten“ werden bei den meisten verbinden IsländerInnen vor allem Erinnerungen an Milliarden verschwundener Kronen. Der 68-Jährige gilt als zentral verantwortlich für Islands Finanzcrash und der Beinahe-Staatspleite.

PolitikerInnen sind derzeit nicht sehr beliebt. Die besten Chancen, die erforderliche einfache Stimmenmehrheit zu erreichen, hat ein Seiteneinsteiger. Umfragen sehen mit rund 50 Prozent den Geschichtsprofessor Guðni Thorlacius Jóhannesson ganz vorn.

Dieser Exjournalist und mit der Kanadierin Eliza verheiratete Vater von fünf Kindern ist fast so bekannt wie Lagerbäck. Seit Jahren ist er immer dann als „Experte“ auf der Mattscheibe präsent, wenn die Redaktionen eine unabhängige Stimme brauchen, die mit historischer Übersicht und juristischer Kompetenz innenpolitische Themen einordnen soll.

Populär und angesehen

Als im Frühjahr die Panama Papers enthüllten, dass große Teile der Politikerkaste mit dem Regierungschef an der Spitze über Briefkastenfirmen Geld in Steueroasen gebunkert hatten und die IsländerInnen die Kochtöpfe aus den Küchenschränken holten, um mal wieder zu protestieren, war Jóhannesson wochenlang Dauergast in den Medien. Dermaßen populär und angesehen wurde er von verschiedenen Seiten zu einer Kandidatur gedrängt.

Umfragen sehen mit rund 50 Prozent Guðni Thorlacius Jóhannesson vorn

Das isländische Staatsoberhaupt hat zwar vorwiegend repräsentative Aufgaben, kann aber über die Ausschreibung einer Volksabstimmung auch Gesetze stoppen. Wie man damit ganz aktiv in die Politik eingreift, hatte Amts­inhaber Grímsson gleich mehrmals bewiesen. Und Jóhannesson genießt offenbar großes Vertrauen, diese Macht verantwortungsvoll handhaben zu können.

Hinter Jóhannesson liegen abgeschlagen mit je 15 Prozent Davíð Oddsson, der Schriftsteller und Umweltaktivisten Andri Snær Magnason und die Ökonomin Halla Tómasdóttir. Diese managte den Fonds „Audur Capital“ gegründet, der als einer von wenigen beim Finanzcrash 2008 das Geld seiner AnlegerInnen nicht vernichtete.

Sollte Jóhannesson am Abend des 25. Juni tatsächlich Sieger werden, wäre er der sechste und mit seinen 48 Jahren jüngste der bisherigen PräsidentInnen seit der Unabhängigkeit des Landes von Dänemark 1944. Einmal im Amt werden PräsidentInnen gern wiedergewählt. Und wiedergewählt und wiedergewählt – eine Begrenzung kennt die Verfassung nicht. Vigdís Finnbogadóttir, 1980 das erste gewählte weibliche Staatsoberhaupt der Welt, brachte es auf 16 Jahre. Und der seit 1996 amtierende Präsident Grímsson hält mit 20 Jahren den Rekord. Jóhannesson hat schon angekündigt, den nicht brechen zu wollen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Korrektur lesen tut Not!