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Wahl in HamburgWechselstimmung an der Elbe

Nach der vorgezogenen Bürgerschaftswahl am 20. Februar dürfte Rot-Grün in Hamburg regieren. Die CDU ist nach dem Rücktritt Ole von Beusts bei 26 Prozent gelandet.

Noch ist er 1. Bürgermeister in Hamburg: Christoph Ahlhaus (CDU). Bild: dapd

HAMBURG taz | Das ist perfektes Timing. Der Chef der Hamburger Handelskammer, Frank Horch, soll Wirtschaftssenator einer rot-grünen Regierung in der Hansestadt nach der Neuwahl am 20. Februar werden. SPD-Bürgermeisterkandidat Olaf Scholz präsentierte am Donnerstag den obersten Wirtschaftsführer des Stadtstaates an der Elbe als "optimale Besetzung für diesen Posten". Damit sorgte der frühere Bundesarbeitsminister für einen wohl kalkulierten Paukenschlag vor dem SPD-Parteitag am Sonnabend.

Mit dieser Berufung demonstriert Scholz seiner Partei Führungskraft, zeigt dem Wunschkoalitionspartner, der Grün-Alternativen Liste (GAL), schon im Vorfeld die Grenzen auf und düpiert den Hauptgegner CDU. Diesen dreifachen Coup werden ihm seine Sozialdemokraten, die Scholz am 17. Dezember mit fast 98 Prozent zum Spitzenkandidaten gekürt hatten, bei der Aufstellung von Regierungsprogramm und Kandidatenliste auf dem Parteitag danken.

Die Hamburger SPD ist siegessicher, erstmals seit der Schill-Wahl 2001 wieder in ihrer ehemaligen roten Hochburg regieren zu dürfen. In Umfragen liegt sie aktuell bei 43 Prozent, Scholz selbst wünschen sich etwa 60 Prozent der Befragten als Regierungschef. Da die GAL sich nach dem Bruch der schwarz-grünen Koalition im November von knapp zehn auf nun 17 Prozent beinahe verdoppelt hat, scheint einem rot-grünen Senat nichts mehr im Wege zu stehen: Die Wechselstimmung ist spürbar.

Ein Grund dafür ist, dass Scholz die nach der Stimmzettel-Affäre 2007 zerstrittenen Genossen in seinen eineinhalb Jahren als Landesvorsitzender wieder geeint hat. "Wer bei mir Führung bestellt, bekommt sie auch", verkündete er, und die Partei klatschte Beifall. Der zweite Grund ist die Schwäche der CDU nach dem Rücktritt des populären Ersten Bürgermeisters Ole von Beust im Sommer.

Unter Neubürgermeister Christoph Ahlhaus dümpelt die CDU bei 26 Prozent, ohne Aussicht auf eine Regierungsoption. Auf dem CDU-Parteitag am vorigen Sonnabend wurde Ahlhaus zwar mit über 90 Prozent zum Spitzenkandidaten gewählt. Partei- und Fraktionschef Frank Schira indes wurde auf dem zweiten Listenplatz mit nur 61,6 Prozent von der eigenen Basis gedemütigt.

Eine Wahlniederlage im Februar dürften beide politisch nicht überleben. Ihre Erben stehen schon bereit: Die Bundestagsabgeordneten und Vizeparteichefs Rüdiger Kruse und Marcus Weinberg sowie Sozialsenator Dietrich Wersich werden die Macht unter sich aufteilen.

Selbst auf den Strohhalm FDP wird die CDU vergebens hoffen. Seit 2004 sind die Freidemokraten in Hamburg außerparlamentarisch. Zurzeit werden sei auf vier Prozent taxiert, könnten aber mit ihrer 35-jährigen Spitzenkandidatin Katja Suding der CDU vor allem liberal-konservative Wählerinnen abspenstig machen.

Selbst wenn die FDP diesmal im dritten Anlauf die Fünf-Prozent-Hürde überspränge, würde es für eine schwarz-gelbe Mehrheit indes nicht reichen - im Zweifel aber für eine rot-gelbe, was das Drohpotenzial der SPD gegenüber den Grünen erhöhen würde. Suding beteuert denn auch gern, für Gespräche mit CDU und SPD offen zu sein.

Fern ab dieses Gerangels stagniert die Linke selbstzufrieden bei sechs oder sieben Prozent. Niemand will mit ihr und sie mit niemandem koalieren. So simpel kann Politik sein.

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2 Kommentare

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  • K
    keetenheuve

    Die Grünen werden am Wahlabend ganz lange Gesichter machen und sich schwarz ärgern. So wie es aussieht, könnte die SPD sogar eine absolute Mehrheit einfahren. Die Linkspartei ist nach ihrem internen Theater nämlich auch im Sinkflug und wird die 5 Prozent nicht schaffen. Da Scholz mit seinem strammen Alt-Sozi-Kurs auch noch enttäuschte CDU-Wähler anzieht, wird er satte Stimmenzuwächse haben.

    Und die Grünen sind in der Opposition, was für ein Treppenwitz!

  • O
    Oli

    Der Bürgermeister hat sich nicht ausreichend legitimiert, er hat sich nicht ausreichend mit der GAL angefreundet und er hat auch leider kurz nach dem Ende der Koalition nicht das Format eines Bürgermeisters gezeigt. Danach hat die Partei dann auch noch sich mit den Anwerben des Schul-Rebels Scheuerl befasst und den mit großer Pauke mit der CUD versöhnt. Bei so viel negativen und unüberlegten Schritten kann man nur eines feststellen: Die CDU entscheidet schnell und falsch.

    Aber auch vorher hat sie jeden sozialen Ausgleich, jede Mäßigung oder jede soziale Nähe zu Normalhamburgern demonstrativ von sich gewiesen. Es war alles nur für eine kleine, feine Elite. Und da steuert das Ergebnis nun auch hin.

    Dass die SPD besser geworden ist, bezweifle ich, aber dafür ist die SPD eben auch nur das, was der Parlamentarismus für solche Krisenzeiten vorsieht: Die Alternative für eine schlechte Regierung. Sie muss nicht besser sein, obwohl ich mir vorstellen kann, dass Olaf Scholz mehr als 30 Stunden die Woche für die Stadt schon arbeitet.

    Der Hamburger erhält in diesem Sinne wieder eine Regierung, die sich dem normalo näher wähnt, ob sie am Ende wirklich sozialer, nachhaltiger, effizienter und pragmatischer für den Bürger regiert, ist m.M. nach offen.

    Die Irren der SPD sind nicht ausgetreten, verstorben oder fortgezogen, sondern die sind immer noch in der Partei und der eine oder andere kriegt jetzt eine Beförderung, eine Stelle oder rückt einfach für die nach, die aufrücken. Insofern: Das Chaos-Potential bleibt bestehen.

    Ich hoffe darauf, dass die GAL und die Linke stark reingehen - dann ist die SPD wenigstens etwas umzäunt. Nur Idioten könnten sich eine absolute Mehrheit in Mandaten von denen wünschen.