Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses: Piratenpartei auf dem Weg ins Parlament
Noch eine Woche - dann könnte die Piratenpartei ins Berliner Abgeordnetenhaus einziehen. Vom Vollprogramm ist sie weit entfernt - es geht eher um Netzpolitik.
BERLIN taz | Die Piratenpartei hat ernsthafte Chancen, erstmalig in Deutschland in ein Landesparlament einzuziehen. Gut eine Woche vor der Abgeordnetenhauswahl in Berlin am 18. September sehen sämtliche Wahlforschungsinstitute die Partei zwischen 4 und 5 Prozent. Damit lassen sie die Berliner FDP hinter sich, die es in den letzten Umfragen nicht mehr über 4 Prozent schafft.
Ein Erfolg der Piratenpartei käme nicht ganz überraschend, bei den Wahlen der vergangenen Jahre hatte sie stetig zugelegt: Bei der Europawahl im Juni 2009 landete sie berlinweit auf 1,4 Prozent, bei der Bundestagswahl einige Monate später waren es in der Hauptstadt bereits 2 Prozentpunkte mehr. In einem Wahlkreis im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg kam die Partei sogar auf 9 Prozent. Unter dem aktuellen Umfragehoch der Piraten leiden laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa vom Monatsanfang vor allem die Grünen: Sie verlieren am meisten potenzielle Wähler an die Piratenpartei.
Bei den Mitgliedern herrscht Optimismus, dass es klappt mit dem Einzug ins Abgeordnetenhaus. "In den ersten Sitzungen wird man von den Piraten was hören. Es wird keine Schonfrist geben, in der wir uns zur Ruhe setzen", sagte Spitzenkandidat Andreas Baum im Interview mit der taz. Die Zusammensetzung der Fraktion würde in jedem Fall männerdominiert sein: Unter den 15 Personen, die auf der Liste des Landesverbandes kandidieren, findet sich nur eine Frau.
Größte Defizite bei den Themen Wirtschaft und Finanzen
Auf den gut 50 Seiten ihres Wahlprogramms konzentriert sich die Partei auf ihre Kernthemen: Transparenz, Bürgerbeteiligung und Netzpolitik. Deutlich weniger konkret wird das Programm in Bezug auf Umweltpolitik und Wirtschaftsthemen. Im Bereich der Wirtschafts- und Finanzpolitik sieht auch Baum derzeit die größten Defizite in der Piratenpartei.
Schafft die Partei es ins Abgeordnetenhaus, hätte das auch Auswirkungen auf die Koalitionsmöglichkeiten der anderen Parteien. Für Koalitionen, die ohne den Einzug von FDP und Piratenpartei noch eine knappe Mehrheit hätten, wie etwa ein Bündnis aus SPD und Linkspartei oder eines zwischen Grünen und CDU, würde es wohl nicht mehr reichen. Rechnerisch könnte dann die SPD zwischen der CDU und den Grünen als Bündnispartner wählen, die derzeit eng beieinander auf Platz zwei und drei hinter der SPD folgen.
Bei der Piratenpartei hofft man, dass die "Freiheit statt Angst"-Demonstration gegen Überwachung einen letzten Schub an Wählern bringt. Am Samstag zieht sie durch Berlin. "Das ist natürlich eines unserer zentralen Themen", sagt Sprecher Benjamin Biel. Die Partei will dort unter anderem mit Infoständen werben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation