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Waffenruhe in NahostWeitere Geiseln nach Israel zurückgekehrt

Die Hamas hat im Rahmen des Geiseldeals drei weitere israelische Geiseln freigelassen. Das Schicksal von vielen weiteren ist ungeklärt.

In Tel Aviv haben sich am Samstag Menschen versammelt, um zusammen die Live-Übertragung der Geiselfreilassung zu schauen Foto: Oded Balilty/ap

Nach fast 16 Monaten im Gazastreifen sind am Samstag drei weitere israelische Geiseln nach Israel zurückgekehrt: die drei Männer Ofer Kalderon (54), Yarden Bibas (35) und Keith Siegel (65) schlossen in einem Krankenhaus nahe Tel Aviv ihre Angehörigen in die Arme. Doch über den emotionalen Szenen des Wiedersehens schwebt zwei Wochen nach Beginn der Waffenruhe eine ständige Sorge: Gelingt den Konfliktparteien eine Einigung für eine Fortsetzung des Abkommens vor dem Ende der ersten Phase in knapp vier Wochen? Oder geht der Krieg weiter?

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu reiste vor diesem Hintergrund am Sonntag in die USA zu Gesprächen mit dem neuen US-Präsidenten Donald Trump. Ebenso ist ein Treffen mit dem US-Nahost-Gesandten Steve Witkoff zu Israels Positionen in den Verhandlungen mit der Hamas geplant. Die von den USA, Ägypten und Katar vermittelten Gespräche sollten eigentlich laut Plan am 16. Tag der Waffenruhe, also am Montag, fortgesetzt werden. Stattdessen sind für diese Woche nun zunächst Vorgespräche angesetzt, etwa zwischen Witkoff und Katars Ministerpräsident Mohammed bin Abdulrahman al-Thani sowie ranghohen Vertretern Ägyptens.

Bisher sind 18 israelische Geiseln freigekommen. Bis Ende der ersten Phase sollen es 33 sein, von denen acht nach Angaben der Hamas nicht mehr am Leben sind. Besonders das Schicksal der Familie Bibas berührt viele. Nach der Freilassung von Vater Yarden befinden sich die zwei- und fünfjährigen Kinder und deren Mutter noch in Gaza. Da eigentlich vereinbart war, Frauen und Kinder zuerst freizulassen, fürchten viele, dass die drei nicht mehr leben. In der zweiten Phase sollen die übrigen noch lebenden Geiseln freikommen und der Krieg ein dauerhaftes Ende finden.

Vor Netanjahus Abreise forderten Tausende Demonstranten in Tel Aviv und Jerusalem gemeinsam mit zahlreichen Angehörigen der Geiseln eine Einigung auf eine zweite Phase. Widerstand dagegen kommt aus Netanjahus eigenem Lager. Dessen rechtsreligiöse Koalitionspartner haben mit einem Austritt aus der Koalition gedroht, sollte der Krieg nicht fortgesetzt werden.

Netanjahu will laut der israelischen Zeitung Haaretz mit Trump auch die Zukunft des verwüsteten Gazastreifens, eine mögliche Annäherung an Saudi-Arabien sowie die Politik gegenüber dem Iran besprechen. Trump äußerte im Vorfeld mehrfach, dass er keine Fortsetzung des Krieges möchte. Stattdessen sorgt er mit Vorschlägen über eine ethnische Säuberung des Gazastreifens für Empörung. Israels rechtsextreme Siedler sind begeistert. Ägypten und Jordanien aber, die laut Trump Palästinenser aus Gaza aufnehmen sollen, haben derartigen Plänen gemeinsam mit anderen arabischen Staaten wie Saudi-Arabien, Katar und der Arabischen Liga deutliche Absagen erteilt.

Indes verstärkt die israelische Armee ihre Aktivitäten im besetzten Westjordanland. Sie weitete am Wochenende eine am 21. Januar begonnene Operation im Flüchtlingsviertel von Dschenin auf die Flüchtlingslager Tamun und die Stadt Tulkarem aus. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Ramallah wurden seitdem alleine in Dschenin 25 Palästinenser getötet. Auch die Angriffe durch extremistische Siedler gehen weiter: Im Beduinen-Dorf Arab al Mleihat bei Jericho zündete eine Gruppe Siedler in der Nacht auf Sonntag eine Moschee an. Im Gazastreifen bombardierte die israelische Luftwaffe ein Fahrzeug. Dabei wurden laut Medizinern vier Menschen verletzt. Das Fahrzeug habe laut der Armee den für die Waffenruhe vereinbarten Kontrollpunkt umfahren.

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