piwik no script img

Wärmwende in DeutschlandWie werden wir heizen?

Die Klimakrise ist längst da, und wir heizen fast komplett mit fossilen Kraftstoffen. Das soll sich ändern. Was Sie über die Wärmewende wissen müssen.

Klimafreundliches Wohnen verträgt sich nicht mit einer Gasheizung Foto: Fabian Sommer/dpa

Alle reden übers Heizen: Was plant die Regierung?

Heizen soll in Deutschland endlich klimafreundlich werden. Deshalb will die Bundesregierung das Gebäudeenergiegesetz reformieren. Spätestens im Jahr 2045 müssen demnach alle Heizungen vollständig erneuerbar laufen. Das Datum kommt nicht von ungefähr: Deutschland muss dann nämlich klimaneutral sein, so steht es im Klimaschutzgesetz. Geplant ist, dass deshalb ab dem kommenden Jahr keine neuen Gas- und Ölheizungen mehr eingebaut werden dürfen. Wer also ein Haus neu baut oder seine Heizung komplett austauscht, darf dann nicht mehr einfach auf fossile, klimaschädliche Lösungen setzen. Stattdessen sollen neue Heizungen mindestens zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden.

Neben komplett erneuerbaren Lösungen sind also auch Kombi-Modelle möglich. Man könnte beispielsweise eine Wärmepumpe und einen Gaskessel zusammen nutzen. Je nach baulichen Gegebenheiten kann das übergangsweise sinnvoll sein. Wichtig dabei ist: Es geht zunächst um neue Heizungen. Wer noch eine funktionsfähige Gas- oder Ölheizung hat, darf sie weiter nutzen. Geht sie kaputt, darf sie auch repariert werden und danach weiterlaufen. Nur wenn das wirklich nicht mehr geht, sollen die Vorgaben greifen. Selbst dabei soll es Ausnahmen geben. Wenn die Heizung plötzlich ausfällt, darf erst mal ein neuer Gaskessel eingebaut werden. Danach gibt es drei Jahre Zeit, um die 65-Prozent-Regel zu erfüllen. Und Hausbesitzer:innen, die über 80 Jahre alt sind, werden von dieser Regelung komplett freigestellt.

Steht das alles schon final fest?

Nicht ganz. Bisher haben nur die zuständigen Bundesministerien einen gemeinsamen Entwurf vorgelegt, nämlich das Wirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) und das Bauministerium von Klara Geywitz (SPD). Auf die Grundzüge der Reform haben sich die drei Ampel­parteien aber schon vor fast einem Jahr in einem Koalitionsausschuss geeinigt. Dass alles noch mal komplett umgeworfen wird, ist unwahrscheinlich. Noch im April will sich das ganze Bundeskabinett offiziell auf einen Entwurf einigen, der dann in den Bundestag geht.

Sind diese Pläne nicht völlig übertrieben?

So sieht das zum Beispiel CSU-Generalsekretär Martin Huber. Als „Klimaschutz mit der Brechstange“ kritisierte er das Vorhaben. Und es stimmt, viel Vorlauf gibt es nicht. Wenn Deutschland dazu beitragen will, das Klima auf der Erde halbwegs lebenswert zu erhalten, ist die Eile aber unvermeidlich. Der Gebäudesektor hat im vergangenen Jahr wieder deutlich mehr Treibhausgas-Emissionen verursacht als laut Klimaschutzgesetz erlaubt, weil Heizungen fast ausschließlich fossil betrieben werden.

Und wichtig ist auch die langfristige Sicht. Viele Heizungen haben eine Lebensdauer von 20 bis 30 Jahren. Was heute neu eingebaut wird, könnte also im Jahr 2045 durchaus noch da sein. Sind das weiter fossile Heizungen, klappt es nicht mit der Klimaneutralität. Die Folgen: noch extremeres Wetter durch die Klimakrise und entsprechend mehr Tote, mehr Zerstörung, niedrigere Lebensstandards. Außerdem müssten Heizungen dann reihenweise verfrüht stillgelegt oder ausgetauscht werden, was weder ressourcenfreundlich noch finanziell sinnvoll wäre.

Sanftere Lösungen hätten frühere Bundesregierungen anstoßen müssen – das Problem ist schließlich seit Jahrzehnten bekannt. Dass es sich nicht von allein auflöst, zeigt der deutsche Heizungsabsatz 2022. Die Nachfrage nach Wärmepumpen stieg zwar massiv, der größte Verkaufsschlager war aber weiterhin die Gasheizung – trotz Klima­krise, trotz explodierender Gaspreise und Russlands Krieg in der Ukraine.

Das Klima zu retten ist wichtig – aber klappt das überhaupt mit diesen Plänen?

Kli­ma­schüt­ze­r:in­nen sind besorgt, weil die FDP einen Verweis auf „Technologieoffenheit“ durchgeboxt hat – der auch ökologisch umstrittene Heizungsarten zulassen soll. Die 65-Prozent-Erneuerbaren-Quote soll man zum Beispiel auch durch den Einsatz von „grünen Gasen“ in Gasheizungen erreichen dürfen, etwa mit sogenanntem Biogas oder unter Umständen gar mit Wasserstoff. Letzteres ist derzeit noch nicht einmal möglich.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Selbst Boiler, die jetzt schon als „H2-ready“ gelten, heizen nicht mit reinem Wasserstoff. Sie lassen nur zu, dass fossiles Gas in geringem Maß mit Wasserstoff vermischt wird. Die Klimabilanz der Heizung verbessert das nur marginal. Ob und wie sich die Rolle von Wasserstoff beim Heizen in Zukunft ändert, ist ungewiss – schließlich wird das rare Gut auch für viele andere Zwecke gebraucht. „Statt Klarheit für Verbraucherinnen und Verbraucher zu schaffen, stiftet der neue Gesetzentwurf Verwirrung mit der Zulassung technisch unmöglicher Scheinlösungen“, kritisiert Barbara Metz von der Deutschen Umwelthilfe.

„Der Entwurf trägt die Handschrift der Gaslobby und ist Verbrauchertäuschung.“ Dass die „grünen Gase“ fürs Heizen in vielen Fällen nicht die beste Lösung sind, steht zwischen den Zeilen auch im Gesetzentwurf. „Die technologieoffene Wahl des Gebäudeeigentümers über den Einbau einer neuen Heizungsanlage kann mit sehr hohen Kosten für den Betrieb der Anlage verbunden sein“, heißt es dort.

Apropos Kosten, wird das alles nicht sehr teuer?

Ja, leider. Zumindest am Anfang. Im geplanten Gesetz selbst finden sich dazu Annahmen. Demnach ist in Einfamilienhäusern eine Luft-Wasser-Wärmepumpe die „wirtschaftlichste Erfüllungsoption“ – also die billigste Art, das Gesetz einzuhalten. Teurer als ein Gaskessel ist das aber trotzdem. Laut Gesetzesentwurf fallen in einem effizienten Neubau Mehrkosten von gut 11.000 Euro an, bei unsanierten Altbauten sind es fast 35.000 Euro.

Es gibt aber auch gute Nachrichten: Nach 18 Jahren rechnet sich die Wärmepumpe in allen Szenarien, die der Gesetzesentwurf aufführt, weil der laufende Betrieb billiger ist als bei fossilen Heizungen. Schließlich ist schon durch steigende CO2-Preise davon auszugehen, dass Erdgas immer teurer wird. Hinzu kommt, dass Wärmepumpen in Zukunft billiger werden dürften, weil ihre Produktion stark anzieht.

Außerdem gibt es staatliche Förderung, die auch ausgebaut werden soll – über das Wie streitet sich die Ampel aber noch. Robert Habeck hat in der ARD einen „sozia­len Ausgleich“ angekündigt. „Das heißt, dass die Wärmepumpen, solange sie noch teurer sind, auf den Preis einer Gasheizung runtergebracht werden“, so der Wirtschaftsminister.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) bremste die Erwartungen allerdings kurz darauf in der Bild am Sonntag. „Die Möglichkeiten der Förderung durch den Staat sind begrenzt“, sagte er. Dass eine starke Förderung nötig ist, wenn es mit den Heizungsplänen klappen soll, liegt dabei eigentlich auf der Hand.

Eine Untersuchung, die der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und der Wohlfahrtsverband Der Paritätische in Auftrag gegeben haben, kam gerade zu folgendem Schluss: Gut ein Achtel der 17 Millionen Ei­gen­tü­me­r:in­nen, die in ihrem eigenen Haus leben und keine weitere Immobilie besitzen, besitzt kein Vermögen. Die Hälfte besitzt weniger als 34.500 Euro.

Das heißt: Wenn bei ihnen der Heizungsaustausch ansteht, bevor sie sich auf die Mehrkosten vorbereiten können, wird es ohne Unterstützung eng.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Da ist viel Sorge bei den Häuslesbesitzern. Aber warum?



    Ich habe mich mit Ersatzteilen eingedeckt für meine Ölheizung, die wird also noch Jahre zu nutzen sein. Dazu zwei Kaminöfen mit denen ich zur Not auch das Haus heizen kann. Also, etwas Kreativität braucht man keine Angst vor dem Heizungschaos zu haben.

  • Wärmepumpen laufen mit Strom.



    Strom wird seit der Gasmangellage wieder vermehrt mit trägen Kohlekraftwerken oder sogar mit Atomkraft erzeugt. Auf einen spontanen Überschuss von Wind oder Sonnenenergie können diese Kraftwerke, im Gegensatz zu Gaskraftwerken nur sehr sehr träge reagieren. Also wird der benötigte Strom in der Grundlast meist über übelste Dreckschleudern erzeugt. Was soll daran gut sein? Für hochgedämmte Häuser vielleicht irgendwann mal sinnvoll, ist es für schöne Altbaufassaden weder preiswert noch umweltschonend.



    Mit umweltfreundlicher Technik kennen sich die Grünen schon lange nicht mehr aus: www.spiegel.de/pol...akel-a-851607.html

  • Es ist keinesfalls so, dass das Handwerk nur teure Lösungen als Austausch für Gas- und Ölheizungen zu bieten hat. Häuslebesitzer, die sich keine Luxus-Wärmepumpen-Lösung leisten können oder wollen, sei daher empfohlen, sich mit dem Thema eingehender zu befassen. Möglicherweise nehmen wir auf Dauer Abschied von der guten alten Zentralheizung. Wichtig wird es allerdings sein, (Heiz-) Strom günstiger zu gestalten. Bei Heizöl ggbr. Diesel war und ist das doch auch möglich.