piwik no script img

Wachablösung in Ecuador

Nach vier Jahren strammer Rechtsregierung übernimmt im Andenstaat heute der Sozialdemokrat Rodrigo Borja die Regierungsgeschäfte / Das Land, das wie kein zweites in Lateinamerika dem wirtschaftspolitischen Diktat des IWF gefolgt war, ist ruiniert  ■  Von Detlef Loy

Berlin (taz) - Wenn der neue Präsident Ecuadors, Rodrigo Borja, heute sein neues Amt antritt, läßt bereits ein Blick auf die Besucherliste den Balanceakt erahnen, mit dem in den nächsten vier Jahren zu regieren gedenkt. Vielleicht ist es nur Zufall, daß sich ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt „Hardliner“ Shultz auf einer Anti-Nicaragua-Tour durch lateinamerikanische Staaten befindet und zum Abschluß in Quito seine Aufwartung macht. Möglich aber auch, daß die Aussicht, gerade in diesem kleinen Andenstaat, der sich in den vergangenen Jahren in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht auf strammstem US-Kurs befand, auf die Gäste Castro und Ortega zu treffen, den Terminplan des amerikanischen Außenministers bestimmt hat.

Mit Bedauern wird Shultz hinnehmen müssen, daß der Sozialdemokrat und Vizepräsident der Sozialistischen Internationale Borja die vor drei Jahren aus nichtigen Gründen abgebrochenen Beziehungen zu Nicaragua wiederaufleben läßt. Auch gegen die Aufnahme Ecuadors in die erweiterte Contadora-Gruppe „Gruppe der Acht“, die den Friedensprozeß in Mittelamerika vorantreiben soll, wird die US-Regierung wenig ausrichten können. Und doch wird Shultz dem Drang Borjas und seines cleveren Außenministers Cordovez, dem früheren UNO-Sonderbotschafter für Afghanistan, ihrem vergessenen Land zwischen Amazonas-Urwald und Pazifik mehr Weltgeltung und eine unabhängige Stimme zu verschaffen, einen gehörigen Riegel vorschieben.

Daß Ecuador nicht zu einem neuen „Fall Peru“ werden wird, hat Borja bereits vor und nach dem Wahlgang häufig genug erklärt. Verstaatlichungen und eigenwillige Begrenzung des Schuldendienstes wie bei seinem Freund Alan Garcia, der im übrigen wegen immer noch schwelender Grenzzwistigkeiten seine Teilnahme an der heutigen Feier absagte, wird es nicht geben. Nur die Kapitalströme über die Grenzen hinweg sollen ein wenig stärker kontrolliert werden. Diese eher vage Absicht entspricht genau dem dünnhäutigen Regierungsprogramm, mit dem die Allianz von Izquierda Democratica (der Partei Borjas) und Democracia Popular (Christdemokraten), die gemeinsam über eine satte Mehrheit im Parlament verfügen, die anstehenden Probleme zu lösen gedenkt.

Eine jährliche Inflation, die mittlerweile 50 Prozent erreicht, bis zur Zahlungsunfähigkeit aufgewachsene Auslandsschulden von rund zehn Milliarden US-Dollarn eine zügellose Importfreigabe bei gleichzeitig sinkenden Exporteinnahmen sind nur einige der Erblasten, die der scheidende Präsident, der Christsoziale Leon Febres Cordero, der das Land mit autoritärer Strenge auf einen strammen Rechtskurs gebracht hat, seinem Nachfolger zurückläßt. Daß es Borja gelingt, den „nationalen Konsens“ herzustellen, von dem er so gerne träumt, darf füglich bezweifelt werden.

Der nationale Ausverkauf, den Leon durch bereitwillige Öffnung des Landes für ausländische Investitionen vehement betrieben hatte, dürfte sich ebenfalls nicht so schnell rückgängig machen lassen. So hat sich Borja bereits klar zum weiteren Ausbau der Erdölwirtschaft bekannt, die durch neue Konzessionen an ausländische Gesellschaften verursachten Probleme aber unerwähnt gelassen. Der Konflikt mit den Indianern des Amazonas ist damit vorprogrammiert.

Aber ob mit dieser oder einer anderen Regierungspolitik: Die Geschicke Ecuadors mit seinen rund neun Millionen Einwohnern werden auch in Zukunft eher in den Amtszimmern amerikanische Banken, des IWF und durch den Willen der einheimischen Oligarchie und der Gutwilligkeit des Militärs bestimmt.

Daß dieses Zusammenspiel eher verhehrende Folgen zeitige, wünscht sich vor allen Dingen ein Mann: Abdala Bucaram, der unterlegene Präsidentschaftskandidat und fanatische Demagoge mit den Hitlerallüren. Er, der Ende Juni genau wie vor drei Jahren die Flucht nach Panama einem drohenden Gefängnisaufenthalt vorzog, wird die Früchte einer gescheiterten Borja-Regierung bei der nächsten Wahl 1992 für sich ernten können. Für Ecuador könnte es dann allerdings sehr schwarz aussehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen