WWF-Studie zum Ökolandbau: Wo der Biene was blüht
Laut WWF schützt der Öko-Landbau die Vielfalt von Ackerpflanzen – was wiederum Insekten freut. Der Industrieverband Agrar widerspricht.

Schön blau, mitunter aber auch bei Ökobauern unbeliebt: die Kornblume Foto: imago/blickwinkel
BERLIN taz | Ackerwildkräuter wie Kornblume, Lämmersalat oder Feld-Rittersporn gedeihen auf ökologisch bewirtschafteten Äckern besser. Das geht aus einer Analyse des World Wide Fund for Nature (WWF) hervor. Auf den Feldern der Öko-Bauern gebe es nicht nur bis zu neunmal mehr Pflanzenarten, sondern dort wüchsen auch insgesamt mehr Kräuter. Auf den ökologischen Äckern bedeckten die Wildkräuter bis zu 37 Prozent der Fläche, während es auf den konventionellen höchstens 7 Prozent seien. Besonders problematisch: Die Pflanzen stehen am Beginn der Nahrungskette, etwa für Hummeln oder Bienen.
Bei der Untersuchung verglichen Wissenschaftler des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) aus dem brandenburgischen Müncheberg zur Hauptblütezeit im Juni und Juli 155 Ackerflächen in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg miteinander. Es handelte sich dabei um drei Schutzäcker (Äcker, die weiter bewirtschaftet werden, doch deren Pflanzen im Rahmen des Naturschutzprojekts „100 Äcker für die Vielfalt“ langfristig vertraglich oder rechtlich geschützt werden), 89 Felder ökologischer und 66 Felder benachbarter konventioneller Betriebe.
Auf allen Ackerflächen wurde Getreide angebaut, unter anderem Weizen und Gerste. Es wurde darauf geachtet, dass alle Flächen ähnliche Bodenbedingungen aufweisen, also ein ähnliches Ertragspotenzial haben.
Auf Flächen, auf denen Wildblumen die Artenvielfalt bereicherten, fänden auch „Hummel und Biene länger einen reich gedeckten Tisch, denn Kornblume, Lämmersalat oder Feld-Rittersporn blühen zu unterschiedlichen Zeiten“, erklärt Christoph Heinrich, Vorstand Naturschutz des WWF Deutschland. Die landwirtschaftliche Ertragssteigerung, die vor allem durch Pestizide, Mineraldünger und eingeengte Fruchtfolgen erreicht wird, hat einen drastischen Rückgang dieser Arten verursacht.
Konventioneller Anbau braucht weniger Fläche
Kritiker widersprechen dieser Betrachtung. Der Sprecher des Industrieverbands Agrar (IVA), Martin May, sagte der taz, dass ökologische Landwirtschaft auf der jeweiligen bewirtschafteten Fläche zwar mehr Artenvielfalt garantiere, doch im globalen Kontext gehe dadurch insgesamt mehr Vielfalt verloren. Er verwies dabei auf die Studie „Produktive Landwirtschaft schont natürliche Ressourcen“ des IVA.
Durch höhere Erträge beim konventionellen Anbau können mehr Arten geschützt werden, heißt es dort, da so keine neuen Nutzflächen erschlossen werden müssen. In Deutschland bestehe ein Produktionsüberschuss, der es ermögliche, die Erträge in andere Länder zu exportieren. Da der ökologische Landbau ineffizienter ist, verursache er pro Ertragseinheit einen um 55 Prozent größeren Artenverlust.
„Artenvielfalt ist eine der wertvollsten Ressourcen unseres Planeten und sie muss lokal, wie global geschützt werden“, sagt Markus Wolter vom WWF. „Wir haben in Deutschland andere Artenvorkommen als in Übersee, und in Brandenburg ganz andere als in Bayern. Mit den Methoden der intensiven Landwirtschaft werden wir den Verlust der Artenvielfalt in Deutschland nicht aufhalten. Der Abwärtstrend über fast alle Arten hinweg würde weitergehen.“
Die genauen Folgen, die die Zerstörung der heimischen Ökosysteme mit sich bringe, ließen sich nur schwer absehen und diese Sichtweise sei nicht nachhaltig. „Wir benötigen eine Landwirtschaft, die die Artenvielfalt auf den Äckern und Wiesen schützt“, so Wolter.
Leser*innenkommentare
lions
Wenn man dem konventionellen Anbau keinen wirksamen Einfluss auf andere ökologische Zusammenhänge bescheinigen könnte, wie Gewässerschutz, gebietsübergreifende Tierbewegung und l.b.n.l. menschliche Ernährung, so könnte man der Aussage zur Effektivität der konventionellen Landwirtschaft etwas abgewinnen, aber dem ist eben nicht so.
Energiefuchs
@lions Dem stimme ich zu, was die Landwirtschaft "übrig" lässt, wird ja sofort für etwas anderes genutzt. Holz, mineralische Rohstoffe, Tourismus, Siedlungsbau etc.
Energiefuchs
Insgesamt hat sich der Artenschwund in den letzten Jahren weiter beschleunigt. Auch das rein zahlenmäßige Vorkommen einzelner Insekten ist um zwei Drittel gesunken. Es ist aber nicht "die Landwirtschaft", die die Arten vernichtet. Es ist unsere Lebensweise. Auch im heimischen Garten (die Gartenfläche ist fast so groß wie die landwirtschaftlich genutzte) wird der Artenvielfalt zu wenig Beachtung geschenkt. Im Baumarkt und Drogeriemarkt sind Insektizide und Herbizide frei verkäuflich. Also bitte nicht alle Schuld der Landwirtschaft zuweisen!
Rudolf Fissner
Den weitaus meisten Arten der Roten Listen ist es relativ egal, wie ihre Lebensweise aus sieht oder dass Sie ihre nächste Umgebung wegputzen.
Der größte Teil des Artenschwunds geht auf das Konto "Standortzerstörung" und "Landwirtschaft" & "Forstwirtschaft"
Energiefuchs
Standortzerstörung heißt aber: Bauland, Verkehrsfläche, Industrieanlage (gerne auch der erneuerbaren Energien). Der Artenschwund betrifft Pflanzen, Pilze, Insekten, Vögel, Säugetiere. Für einen Teil, z.B. Pflanzen und Insekten kann man im Garten ideale Lebensbedingungen schaffen. http://www.naturgartenfreude.de
Für die großen Tiere (Luchs, Adler, Wale) kann man nur etwas tun, indem man große Gebiete zu Nationalparks macht.