WOHNUNGSNOT: Versprechen und Versprecher
Der Bausenator will den sozialen Wohnungsbau höher fördern, das Sozialressort will Bauunternehmen verpflichten, auch günstige Wohnungen zu bauen.
Streetworker Jonas Pot d’Or hilft seit 15 Jahren Obdachlosen: „Noch vor fünf Jahren brauchte ich nur zu sagen, wir gehen jetzt zur Wohnungshilfe, dann kriegst Du eine Belegwohnung. Heute weiß ich mir nicht mehr zu helfen, weil es keine Wohnungen mehr gibt.“ Die Wartezeiten lägen mittlerweile bei zwei Jahren.
Er war nicht der einzige, der Bausenator Joachim Lohse (Die Grünen) und Karl Bronke, Abteilungsleiter des Sozialressorts, auf der ersten öffentlichen Diskussionsrunde des neuen „Aktionsbündnis Menschenrecht auf Wohnen“ mit den Nöten Wohnungssuchender konfrontierte. Vertreter von Kirchen, Mieterbund, Hochschulen und Wohnungslosenhilfe beklagen, dass es vor allem an günstigem Wohnraum mangele, während in der Überseestadt, auf dem Stadtwerder oder in Habenhausen teure Neubauten entstünden.
„Die Bremer Mieten“, konterte Lohse, „sind im Vergleich zu Hamburg oder Freiburg doch moderat.“ Gerade die Gewoba böte günstige Wohnungen an. Der Durchschnittspreis der „moderaten Mieten“ setzt sich laut Aktionsbündnis-Gründer Michael Schmidt von der Bremischen Evangelischen Kirche bei der Gewoba aus teuren sanierten oder neuen Wohnungen und kleinen, oftmals maroden Unterkünften mit horrenden Nebenkosten zusammen: „Bei einer günstigen Wohnung hat man die Wahl zwischen Essen oder Heizen.“ Sobald Wohnungen saniert würden, lägen ihre Mieten weit über dem ALG-II-Regelsatz für Wohnungen. Das bestätigte Karl Bronke: „Natürlich unterstützen wir das Klimaziel Bremens, und dafür müssen Wohnungen energetisch saniert werden, aber die daraus folgenden Mieterhöhungen sind oft teurer als die Nebenkosteneinsparungen.“
14.000 Wohnungen fehlen laut Aktionsbündnis bis zum Jahr 2020, und diese Zahl bestätigt der Bausenator. Noch vor der Sommerpause will er einen Senatsbeschluss erreichen, nach dem die Förderung für den sozialen Wohnungsbau von 4,5 auf 6 Millionen Euro erhöht werden soll. Laut Bronke wird sich sein Sozialressort dafür einsetzen, dass Wohnungsbauunternehmen mehr Wohnungen im unteren Mietbereich bauen müssen.
Laut Pot d’Or werden Menschen in Bremen nicht nur aufgrund fehlender Unterkünfte oder zu teurer Mieten wohnungslos, sondern auch, weil das Jobcenter ALG-II-Empfängern aufgrund „mangelnder Mitwirkung“ sogar die Miete streichen würde: „Erst werden 30 Prozent vom Regelsatz gekürzt, dann 60 Prozent vom gesamten Bedarf, und zum Schluss alles.“ Bronke meinte dazu, das Sozialressort habe das Jobcenter angewiesen, die Unterkunftskosten nicht zu streichen. Pot d’Or verlässt sich auf seine Worte: „Bislang musste ich in diesen Fällen Klage vorm Sozialgericht einreichen. Jetzt kann ich mich direkt auf Karl Bronke berufen – das freut mich.“
Der Sprecher des Sozialressorts, Bernd Schneider, erklärte, eine Anweisung des Ressorts sei nicht ergangen, aber es gebe eine „einvernehmliche Absprache, dass es nicht zu Mietkürzungen oder -streichungen kommen soll“. Laut Paragraph 31 des Sozialgesetzbuchs sei das Jobcenter leider zu solchen Sanktionen berechtigt. Das Bremer Jobcenter hat sich bis Redaktionsschluss nicht zu dem Thema geäußert.
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