piwik no script img

WO DER MANN LACHT

■ „Die Kunst, ein Mann zu sein“ im Moviemento

Dunkel muß man sich die Geschäfte vorstellen, denen sie sich hingaben: schmuggelten in nebliger Nacht und nächtlichem Nebel den miesen Ostfilm über die Grenze, verpraßten das ganze Geld, das ihnen durch den Tod der Großmutter (was waren die genauen Umstände?) zugefallen war, und drehten dann, ein verschworenes Paar und unter ebensolchem Siegel, ein obskures Werk. Das wäre, auf Zelluloid (mieser Ostfilm) gebracht, ein wenig gedehnt, teils beschleunigt, teils verlangsamt, ein Kunstwerk erster Güte geworden. Leider ist Die Kunst, ein Mann zu sein das so gar nicht obskure Werk, der andere Film wurde nie gedreht.

Mit der Kunst... ist es nämlich so wie mit dem Mannsein: Eine an sich gute Idee wird durch allzugroße Freude an der Selbstdarstellung zum ermüdenden Ärgernis. Zuerst sehen wir die Filmemacher als Männer wie er und er: Rasit Tuncay als Türke R., der großen Wert auf erstklassige Kleidung und einen gepflegten Dreitagebart („der sein herbes Äußeres unterstreicht“) legt; und Matthias Drawe als Deutscher M., der großen Wert auf Schwanzklemmerhosen, rohes Ei zum Frühstück und einen flexiblen Schnurrbart legt. Die tieferen Beweggründe des sich vor dem Spiegel drehenden und wendenden Exemplars Mann kommentiert mit zoologischer Einfühlsamekit eine Altfrauenstimme, sind doch die meisten Verhaltensformen mehr oder weniger verblendet auf das andere Geschlecht gerichtet. Es gibt aber auch ein Kapitel, das mit einem gemeinsam zubereiteten Hähnchenherzengelage und anschließender 'Hyrriet'/'BZ'-Lektüre völkerverbindende Männerkameradschaft dokumentiert, ebenso sehen wir, stumm wie alle Szenen, aber mit wechselnden Mahler-Schlagern übergossen, die beiden im Cafe angeregt miteinander gestikulieren. Solche Szenen mußten Tuncay und Drawe mit Stativ und Auslöser komponieren, weil sie Regisseur und Darsteller in einem sind; man sieht es den statischen Bildern an, und gerade deshalb sind sie perfekte Vorführungen der Männlichkeit, gewollt oder ungewollt.

Genau zu diesem Zeitpunkt aber beginnt der Film Nerven und Sitzfleisch zu strapazieren. Der ewig ironisch distanzierte Kommentar wird zur lustigen Anstrengung, bricht das Bild zu Tode. Die Beiläufigkeit der Bilder knirscht gemacht. Im zweiten Teil des Films müssen die beiden nach Warschau fahren, um dort eine gutaussehende Polin zu besuchen. Der Lammfellmantel M.s befindet sich jetzt im Zug, die Eitelkeit beim Rasieren setzt sich im Hotel fort, das gemeinsame Mahl entfällt aufgrund akuten Zwists. Das besondere Erlebnis ist in Wahrheit die Wiederholung des rituellen Alltags - ist das die Tragik der modernen Männlichkeit und eine ernsthafte Suche nach Hinter- im Vordergrund die Tragik des modernen Low-budget-Autorenfilms? Aus reiner Verzweiflung, zugeschüttet mit dem heiligen Pathos der Ironie und stringent übergestrichenem Musikbrei, bleibt nur die Rettung in nachsichtige Liebe zum schlechten Film.

DoRoh

Die Kunst, ein Mann zu sein. Mit Rasit Tuncay und Matthias Drawe. BRD 1989. Ab heute bis 21. März um 20 Uhr 45 im Moviemento.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen