WM-Kolumne Gilet jaune: Schreddert Ettie!
Ettie, das Küken und Maskottchen der Frauen-WM, wurde geklaut. Die besten Dinge aber haben die Diebe dagelassen. Was ist los?
W as könnte man nicht alles aus einem Fußballstadion stehlen, aus einem veritablen WM-Stadion zudem, wenn es einem gelänge, des Nachts dort einzudringen. Ein Fass alkoholfreien Biers des Fifa-Partners Budweiser, ein paar Rollen Klopapier aus den Toilettenräumen, DNA-Spuren von dem Ehrensessel, auf dem Fifa-Boss Gianni Infantino beim Eröffnungsspiel gesessen hat.
Wer weiß, was die später als Reliquie wert sind, wenn der Schweizer erst einmal zum Fußballheiligen erhoben worden ist. Es fiele uns viel ein, was man an einem solchen Ort mitgehen lassen könnte. Nur auf eines wären wir gewiss nicht gekommen. Die fünf Personen, die in der vergangenen Woche ins Prinzenparkstadion eingedrungen sind, haben das WM-Maskottchen Ettie gestohlen.
Das Motiv der fünf Eindringlinge liegt noch im Dunkeln. War es mehr als ein Spaß, der die von einer Überwachungskamera – auch so etwas, was man klauen hätte können – eingefangenen Personen bewogen hat, das Kostüm für die Ettie-Darstellerin zu klauen? Wir wissen es nicht. Bevor die bösen Buben oder Mädels mit der Henne davongezogen sind, sollen die fünf ein wenig Fußball gespielt haben auf dem Rasen vor der Kurve der PSG-Ultras. Danach kam es zu dem folgenlosen Diebstahl. Denn umgehend teilte das lokale Organisationskomitees mit, es gebe genügend Ersatzkostüme.
So wird die unverbesserliche Nervensäge auch vor dem nächsten Spiel durch das Stadion toben und versuchen, das Publikum zu animieren, obwohl das wirklich niemand will. Ein Arena-Moderator wird ins Mikro brüllen und sich darüber freuen, dass Ettie auch da ist. Als hätte er das nicht sowieso gewusst. Dann müssen die Zuschauer schreien und je lauter sie schreien, desto schneller läuft Ettie. 103 Meter hat das Hühnchen mit dem Pferdeschwanz vor der Partie Schweden gegen Kanada dabei in 20 Sekunden geschafft. In die Hall of Fame der Leichtathletik schafft sie es damit sicher nicht. Da können die Leute noch so laut brüllen.
Macarena, Macarena
In der Pause dann müssen Leute, denen man ansieht, dass sie das eigentlich gar nicht wollen, mit Ettie zu dem 90er Jahre Hit Macarena tanzen. Für diese Disco-Perle wurden seinerzeit ja so spezielle Wackler für Hand, Arsch und Beine entwickelt. Seit Frankreich 2019 müssen wir diesen Tanz wohl Hühnertanz nennen. Ettie, das nervige Hendl, kann ja schlecht den Ententanz aufführen. Festgehalten wird das Ganze mit der in Sportarenen mittlerweile üblichen Dance Cam. Es ist ein Graus. Wer, um Himmels willen, möchte sich so ein Tier ins Haus holen?
Moment. Vielleicht wurden die fünf Einbrecher ja bei einem der WM-Spiele selbst Opfer der miesen Performance. Vielleicht haben sich in einem Akt der puren Mitmenschlichkeit dazu entschlossen, dafür zu sorgen, dass keiner mehr leiden muss unter der Show dieses Gute-Laune-Monsters im Hühnchenkostüm. Es könnte eine gute Tat gewesen sein. Ich fordere an dieser Stelle Straffreiheit für die Eindringlinge. Ich kann die Henne nicht mehr sehen!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?