WM-Fieberkurve : Lecker essen auf Weltniveau
Berlin ist eine Weltstadt. Und Deutschland ist eine weltoffene Nation. Solche Aussagen lassen sich nicht präzise beweisen. Das heißt umgekehrt auch, dass sie sich nicht von der Hand weisen lassen. Immerhin tun die Gastgeber der Weltmeisterschaft 2006 einiges dafür, dem Rest der Welt schon im Vorfeld eine Ahnung davon zu vermitteln, welche real existierende Form ihre kosmopolitischen Ansprüche annehmen könnten.
Eine dieser Ahnungen manifestiert sich am „größten WM-Gäste-Dorf“, das im Sommer in Berlin beheimatet sein wird. Dort gibt’s nur vom Feinsten: Der niedrigste Preis für den Zugang an die Theken nur im Außenbereich liegt bei 900 Euro. Die „Sky-Box“ mit zehn Plätzen für alle sechs Spiele inklusive Finale wurde für 180.000 Euro vergeben.
Bei solchen Preisen wird natürlich ordentlich was geboten. In Berlin sowieso schon mal alles am meisten und am größten. Die Büfetts in der Hauptstadt sind zusammen 400 Meter lang. Weltstadt eben. Da können die „WM-Gäste-Dörfer“ in den anderen elf Spielorten nicht mithalten. Dass die Hauptstadt dennoch die Bodenhaftung nicht verliert, verdeutlicht das Understatement der kommunalen Bezeichnung „Dorf“. Da bleiben sich Berlin und die anderen Spielorte treu.
Das gilt auch für das kulinarische Programm: Wenn der Welt was geboten wird, dürfen Hummer, Krabben und Kaviar nicht fehlen. Gerade zu einer Weltmeisterschaft soll’s schließlich mal was Besonderes sein. Nicht immer nur erwartbares Einerlei. Mit Kartoffelsuppe und Currywurst zeigt die Weltstadt Berlin, dass sie neben internationalem Flair auch überraschende kulinarische Eigenheiten auf den Pappteller zu zaubern versteht. Die Welt wird staunen.
Kosmopolitische Grandezza umgab auch die symbolische Eröffnung des „gediegenen Luxusprogramms“ der WM. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) tat den ersten Spatenstich und anschließend den ersten Hammerschlag auf einen mannshohen Nagel. Es sind die feinen Zwischentöne solcher Zeremonien, die überzeugen. Wowereit erinnerte allerdings auch bewusst an den bescheideneren Teil der Weltmeisterschaft. „Ich werde ebenso oft zur ganz normalen Fan-Meile auf der Straße des 17. Juni und am Brandenburger Tor gehen wie hierher.“ Currywurst wird’s dort hoffentlich auch geben.
Wolfgang Niersbach vom WM-Organisationskomitee dokumentierte im VIP-Areal des Olympiastadions mit seinen eigenen Erfahrungen den Wandel im Service-Bereich des Fußballsports: „1974 erlebte ich meine erste Fußball-WM, damals gab es eine Tasse Kaffee und ein Stück trockenen Kuchen, und das war alles.“ Gut, dass diese Zeiten vorbei sind! LARS KLAASSEN