WIRTSCHAFTSMINISTER WERNER MÜLLER BESCHÄDIGT DIE SOLARINDUSTRIE: Erste allgemeine Verunsicherung
Wirtschaftspolitik ist schwierig. Wahrscheinlich versteht man sie deshalb so selten. Als Siemens in Dresden 1.500 Arbeitsplätze schuf, subventionierte der Staat dies mit 700 Fördermillionen. Der Solarbranche, die im nächsten Jahr 3.000 Jobs zu schaffen gedenkt, werden dagegen von zugesagten 300 Millionen jetzt 130 Millionen abgezogen. So hat es Bundeswirtschaftsminister Werner Müller im Juli beschlossen, so ist es gestern in die Haushaltsberatung des Bundestages eingebracht worden. Wobei die solare Wirtschaftsförderung gar keine wirkliche Förderung ist: Auch Ökostrom ist mit der Ökosteuer belegt, was politisch unsinnig, technisch aber nicht anders zu realisieren war. Die solare Branche bekam daher die politische Zusage, das Ökosteueraufkommen zurückzubekommen – in Form eines Marktanreizprogrammes.
Was seinerzeit als eines der wenigen Glanzstücke grüner Regierungspolitik gefeiert wurde, entpuppte sich beim Nachrechnen allenfalls als Teilerfolg: Den knapp 500 Millionen, die die Solarwirtschaft in den Ökosteuertopf einzahlt, stand lediglich ein 300 Millionen teures Marktanreizprogramm gegenüber. Entsprechend machten sich die Grünen für eine Aufstockung auf 400 Millionen stark. Davon will Müller aber nichts wissen. Gerade mal 170 Millionen gedenkt sein Haus im kommenden Jahr auszuschütten.
Die Folgen: Großhändler spüren Umsatzrückgänge, Kollektorhersteller strichen Investitionspläne für 2002, die Antragszahlen zur Installation von Warmwasseranlagen gingen um ein Drittel zurück. Lag der Zuwachs von installierter Kollektorfläche im letzten Jahr noch bei 50 Prozent, so rechnet die Branche für 2002 jetzt nicht mehr mit 40, sondern allenfalls noch mit fünf Prozent.
Das bringt die Bündnisgrünen in Zugzwang: Während sie in der Debatte um Otto Schilys Einwanderungskonzept noch keinen Erfolg verbuchen können, droht ihnen das „Paradestück“ – so die Eigenwerbung – zerschlagen zu werden. Verständlich deshalb, dass sie in den Haushaltsverhandlungen die Aufstockung der Solarförderung ganz oben auf ihrer Agenda stehen haben.
Spätestens bei den so genannten Bereinigungsgesprächen Anfang November wird das Bundeswirtschaftsministerium einlenken – und sein Ziel erreicht haben. Die Strategie von Müller ist so durchsichtig wie schädlich: Ihm geht es darum, seinen Etat zu entlasten und die aufgestockten Solarmittel aus der Eichel’schen Sparkasse herauszuschlagen. Dass der solare Wirtschaftszweig dabei schweren Schaden nimmt, ignoriert Müller. Eine Regel der schwierigen Wirtschaftspolitik nämlich ist: Verunsichere Investoren nie durch unstete Fördermittelpolitik. NICK REIMER
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