piwik no script img

WER GEGEN DEN KRIEG IST, SOLL NICHT ERFAHREN, WARUMInnerstaatliche Feinderklärung

Menschen ohne Tischsitten werden nicht zum Essen eingeladen, schwatzhafte Verwandte nicht in Familiengeheimnisse eingeweiht, und wer kein Vertrauen genießt, bekommt keinen Kredit. Nach solchen hausväterlichen Maximen bestimmt Gerhard Schröder im Afghanistan-Krieg, wer in den Genuss der kostbaren Arcana kommt, der Geheimnisse, die die USA via rotes Telefon vermelden. So wurde und so wird künftig die PDS erst mit angemessener Verspätung vom Bundeskanzler über das Kriegsgeschehen, nein, auch über alle „sicherheitsrelevanten Themen“ informiert werden. Sie hat sich des Geheimnisses als unwürdig erwiesen, weil sie der Meinung ist: „war is no answer“.

Auch die Grünen durften in den 80er-Jahren nicht alles Geheime erfahren, weil sie sich damals weigerten, grundsätzlich alle Informationen des G-10-Abhörausschusses für sich zu behalten. Aber die PDS? Sie ist über die Maßen staatstragend, der ideale Geheimnisträger, in welcher Kunst sich schon zu Zeiten der DDR nicht wenige der heutigen Parteiaktivisten übten. Die Wessis sind, zum Kummer der Geheimnisverteiler, nach wie vor notorisch schwatzhaft. Aber in der Brust der PDS-Oberen ist jedwedes Geheimnis gut aufgehoben. Wem sollten sie es auch verraten? Putin? Ist schon längst informiert.

Der Vorgang ist nicht nur lächerlich, sondern auch undemokratisch. Wen der Bundeskanzler wann informiert, ist keine Verfassungsfrage, sondern betrifft die politische Kultur. Und die unterscheidet sich etwas vom Verfahren im privaten Benimm. Nie und nimmer darf eine unterschiedliche politische Auffassung – und beträfe sie auch die Frage von Krieg und Frieden – zur Diskriminierung bei der vertraulichen Unterrichtung politischer Parteien führen. Mit dem Zusammenbruch des Realsozialismus schien es so, als fingen die Deutschen an, abweichende Meinungen nicht mehr als lebensbedrohlich zu empfinden. Gerade war es so weit, dass selbst Christdemokraten die PDS als „Normalos“ zur Kenntnis nahmen. Und jetzt: mitten im Krieg eine Neuauflage von innerstaatlichen Feinderklärungen. CHRISTIAN SEMLER

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen