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WAS GENAU BESAGT EIGENTLICH DER ECKPUNKT ZUR FRAUENFÖRDERUNG?Work in progress

Manchmal guckt man unfreiwillig hinter Kulissen – und erfährt, wie Gesetze so gemacht werden. Es ist nämlich nicht so, dass da ein paar Experten monatelang einen neuen Entwurf austüfteln, der dann vorgelegt wird, wenn alle Beteiligten sich gut genug auskennen, damit dann die politische Diskussion anfangen kann. Nein! Es ist oft genug ganz anders. Zum Beispiel bei der Reform der Arbeitsmarktförderung, „Job-Aqtiv-Gesetz“ genannt.

Erziehungszeiten sollen künftig zum „Erwerb von Ansprüchen auf Arbeitslosengeld dienen“, heißt es in den so genannten Eckpunkten zum Job-Aqtiv-Gesetz. Was, alle Mütter haben künftig automatisch einen Anspruch auf Arbeitslosengeld? Eine Sensation! Nur weil andere Zeitungen recht Unterschiedliches berichten, wird das Ministerium angerufen. Stimmt das? Antwort, Variante eins: Künftig erhielten in der Tat Mütter Ansprüche auf Arbeitslosengeld, die bisher keine hatten. Wahnsinn. Hunderttausende von Müttern können sich nach der Erziehungszeit arbeitslos melden und bekommen Zaster!

Später ein Anruf vom Ministerium, Variante zwei: Nein, ganz so sei es doch nicht. Die Mütter müssten vorher schon gearbeitet haben, aber halt nicht so lange, dass sie schon einen Anspruch erworben hätten. Ansonsten wüssten die Leute aus der rot-grünen Arbeitsgruppe besser Bescheid. Anruf bei den Grünen: Wie ist es genau? Antwort, Variante drei: Das Ministerium habe was Falsches erzählt, die Mütter müssten vor der Geburt schon einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben haben. Allerdings sollen auch die Mutterschaftszeiten als Beitragszeiten aufgewertet werden. Ach so, na ja, ist ja keine so dolle Verbesserung. Später ein Anruf von den Grünen, Variante vier: Das Ministerium habe Recht gehabt mit Variante zwei, man habe sich mit der SPD soeben geeinigt, die Mütter müssten unmittelbar vor der Geburt beschäftigt gewesen sein, aber egal wie lange, dann trage die Erziehungszeit zur Anwartschaft bei.

Sicherheitshalber noch mal einen Anruf beim Landesarbeitsamt in Berlin. Na ja, so ein ähnliches Gesetz gab es schon mal, galt bis 1997, heißt es da. Ein Praktiker vor Ort kennt sich aus: Das habe schon damals nur wenige Mütter betroffen. Die meisten hätten vorher ohnehin länger gearbeitet oder halt gar nicht. Da wird Finanzminister Eichel froh sein. Wie aus SPD-Kreisen zu hören ist, wurde der schon ganz unruhig, als er von den Eckpunkten der rot-grünen Arbeitsgruppe erfahren hatte. Übrigens erst vor einigen Tagen. Überhaupt sei ja alles noch nicht Gesetz, heißt es in SPD-Kreisen. Work in progress also. Darf man eigentlich in so einer Arbeitsgruppe mal mitmachen?

BARBARA DRIBBUSCH

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