WARTEN AUF DIE WIEDERVEREINIGUNG: Keine Brücke am Fluss
Vor fast 20 Jahren beschlossen die Politiker, im Landkreis Lüneburg eine Brücke zu bauen. Daraus ist nie was geworden. Nun soll es eine Bürgerbefragung geben.
HAMBURG taz | 1993, im dritten Jahr nach der Wiedervereinigung, fanden die Idee noch alle gut, die Leute im Westen und die im Osten. Was könnte das neue deutsch-deutsche Miteinander besser symbolisieren als der Bau einer Brücke über die Elbe von Niedersachsen hinüber in ehemaliges DDR-Territorium? Und hatten die Bürger im Osten nicht schnelle und unbürokratische Anbindung an den westlichen Wohlstand verdient nach 40 Jahren Leben im Todesstreifen?
Schnell war klar: Bei Neu Darchau im Landkreis Lüneburg soll die Brücke gebaut werden. Aber die Brücke gibt es bis heute nicht. Statt dessen gibt es lange Jahre des Streits und am 13. Januar 2013 parallel zur Landtagswahl in Niedersachsen eine Bürgerbefragung, die Klarheit schaffen soll. Die Mecklenburg-Vorpommerer müssen dabei nicht gefragt werden: die von der Brücke erreichten rechtselbischen Gebiete wurden 1993 in das Bundesland Niedersachsen eingegliedert. Deshalb ist für die Brückenfrage alleine der Landkreis Lüneburg zuständig.
Gescheitert ist die Brücke zunächst an der Frage, welche Behörde für ihren Bau zuständig ist. Als das endlich geklärt war, stellte sich heraus, dass sich die Gesetzeslage für den Brückenbau geändert hatte: Mit neuen Vorarbeiten und neuen Gutachten gingen weitere Jahre ins Land. Und aktuell steht der Brücke der Lüneburger Kreistag im Weg: Das Geld ist knapp und die Kosten sind mit voraussichtlichen 45 Millionen Euro so hoch, dass die Mehrheit aus SPD und Grünen das Votum der Bürger haben möchten, bevor entschieden wird.
Wenn es nach Ralf Makagon ginge, wäre die Sache klar. Seit acht Jahren lebt er als selbstständiger Versicherungskaufmann rechts der Elbe in der Gemeinde Amt Neuhaus. „Die Menschen hier haben die Nase voll, sie vertrauen der Demokratie nicht mehr“, sagt er. Seinen Ärger teilt er mit rund 4.500 anderen Einwohnern der rechselbischen Ortschaften. „Die Menschen hier verstehen das nicht. Sie haben das Projekt eigentlich abgeschrieben. Dabei ist das hier die einzige Stelle an einer Bundeswasserstraße, wo eine Elbquerung im Abstand von 50 Kilometern fehlt.“
Für Makagon ist die Erfüllung des Brückenversprechens heute wichtiger denn je: die Einwohnerzahl in der Gemeinde Amt Neuhaus fällt kontinuierlich, Firmen wandern ab, Hauseigentümer beklagen Leerstände. Das alles ließe sich ändern durch eine Brücke, glaubt er: „Schon die alten Römer wussten, dass Verkehrswege die Wirtschaft beleben. Doch bei uns passiert nichts, viele sind deswegen verbittert. Die Mehrheit im Ostkreis ist jedenfalls für die Brücke.“
Quasi als Selbsthilfemaßnahme haben Elbanwohner deshalb den Förderverein „Brücken bauen e.V.“ gegründet. Der habe Zulauf von diversen Institutionen, sogar ganze Kommunen seien ihm schon beigetreten, sagt Dieter Hublitz, ehemals Bürgermeister im Amt Neuhaus.
Hublitz kam 1993 nach dem Mauerfall in den Osten, leistete als Verwaltungsfachmann Aufbauhilfe in Mecklenburg-Vorpommern, blieb in der Elbtalaue und lebt bis heute hier. „Unsere sozialen Kontakte, das Vereinsleben, das alles ist hier draußen intensiver“, sagt er. Er singt ihm Shanty-Chor, kümmert sich als Ex Bürgermeister noch immer, wo es etwas zu kümmern gibt und findet, so schlecht sei das Leben am Fluss gar nicht. „Wir haben eigentlich alles, was junge Familien anzieht. Es gibt Ärzte, Kindertagesstätten und Schulen. Aber was fehlt, ist eine vernünftige Verkehrsanbindung.“
Am Tag der Deutschen Einheit gab es ein Brückenfest direkt am Fluss, da seien 5.000 Besucher dabei gewesen: „80 Prozent der Bürger im Landkreis Lüneburg werden im Januar für die Brücke stimmen“, sagt Hublitz. „Doch je länger wir mit dem Bau der Brücke warten, desto teurer wird er voraussichtlich.“
„Eines steht fest: Mehr als zehn Millionen Euro für die Brücke auszugeben, das kann der Landkreis sich nicht leisten“, sagt Landrat Manfred Nahrstedt (SPD). 45 Millionen Euro würde der Bau voraussichtlich kosten. Eine verlässliche Unterstützung des Landes beim Brückenbau sei bisher nicht in Sicht ist, meint die Landtagsabgeordnete Miriam Staudte von den Grünen. „Es gibt keine einklagbaren Zusagen des Landes, es gibt höchstens politische Willensbekundungen. Und wer die Folgekosten für die Elbquerung trägt, ist nach wie vor völlig offen“, sagt sie.
Auch abgesehen vom Geld ist den Grünen die gigantische Stahl- und Betonkonstruktion nicht geheuer: Sie würde gebaut inmitten einer der schönsten Flusslandschaften Deutschlands, die als so genanntes Biosphärenreservat unter besonderem Schutz steht.
Gegenwind für das Projekt kommt auch von der Bürgerinitiative in Neu Darchau. Ein „Ja zur Fähre – nein zur Brücke“ haben sich die Mitglieder der BI um Gabriele Mischke auf die Fahnen geschrieben. Mehr Lärm, mehr Abgase, mehr Verkehr – das sei alles, was man von der geplanten Elbquerung zu erwarten habe, sagt Mischke. „Es ist nicht so, dass wir kein Verständnis für die Sorgen der Menschen im Amt Neuhaus haben. Aber die Probleme können auch mit einer besseren Fährverbindung gelöst werden. Das würde die elf Arbeitsplätze auf der Fähre sichern. Dass eine Brücke neuen Wohlstand hier draußen bringen würde, das glauben wir definitiv nicht.“
Ähnlich sieht das der Finanzwirt und ehemalige SPD-Landtagsabgeordnete Klaus-Peter Dehde: „Man sollte den Neuhäusern nicht länger vorgaukeln, dass mit der Brücke der Wohlstand kommt. Die einzige Chance für das Amt Neuhaus liegt im Tourismus. Und dem schadet die Bücke eher, als dass sie ihm nützt.“
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