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W - Der neue Oliver Stone über Bush juniorFilm ohne Biss

Dieses Werk hätte den US-Wahlkampf anheizen können. Aber Oliver Stone verwirrt die Zuschauer in seiner Filmbiographie über George W. Bush mit besinnlichen Baseballepisoden.

Was will Oliver Stone uns mit seinem neuen Bush-Film sagen? Bild: ap

"Ich würde gern etwas im Baseball finden", erklärt der junge George W. Bush seinem Vater. Klingt nach einem vernünftigen Plan. Doch statt eines Baseballteams führt Bush junior in Oliver Stones neuem Film schon in der nächsten Sequenz die freie Welt an.

In "W.", seit einer Woche in den amerikanischen Kinos, geht der Regisseur ungewohnt sorgfältig mit historischen Tatsachen um. Während er in "JFK" und "Nixon" Verschwörungstheorien zuneigte, hält er sich in seiner dritten Filmbiografie eines US-amerikanischen Präsidenten an verbürgte Ereignisse. Von den Trinkgelagen Bushs als Burschenschaftler über seine religiöse Bekehrung bis hin zu der Entscheidung zum Irakkrieg wirken die meisten Szenen eher vertraut als überraschend.

"W." hätte eine beißende Satire oder eine unumwundene Anklage werden können. Stattdessen gibt der Film zwar die Dynamik innerhalb der Bush-Familie und die Diskussionen innerhalb der Regierung plausibel wieder, entwickelt jedoch wenig Biss und Dramatik.

Stones mutiger Plan, einen Film über Bush noch zu dessen Amtszeit herauszubringen, löste beträchtlichen Wirbel aus. Das Werk selbst gerät dagegen erstaunlich unkontrovers. Die Kritiken nach der ersten öffentlichen Vorführung in Los Angeles reichten von spöttisch bis wohlwollend. Todd McCarthy urteilte im Branchenblatt Variety: "Oliver Stones ungewöhnlicher und unausweichlich interessanter ,W.' wirkt wie ein grober Entwurf eines Films, von dem er in zehn oder fünfzehn Jahren ein Remake machen sollte."

Dabei ist gerade das Timing die Stärke des Films: Stone hat nicht auf das rückblickende Urteil der Historiker über Bushs Präsidentschaft gewartet, sondern sich an ein Thema gewagt, das die US-Amerikaner gerade in diesen Wochen beschäftigt.

Um den Film noch vor den Wahlen in die Kinos zu bringen, stellte er ihn innerhalb von sechs Monaten fertig. Die Fakten über Bushs Leben und Präsidentschaft sind mit großem Aufwand recherchiert, das Drehbuch allerdings hat offenbar unter dem Zeitdruck gelitten. Der Film wird zusammengehalten von einer merkwürdigen Rahmenerzählung, die Bush in einem leeren Baseballstadion zeigt. Immer wieder fliegt ein Ball auf ihn zu. Anfangs fängt er ihn einmal, in der letzten Szene aber verliert er ihn aus den Augen und kann nur hilflos gen Himmel starren.

Mit einem ähnlichen Gefühl verlässt man als Zuschauer den Film: Worauf Stone mit dieser Aneinanderreihung mal mehr, mal weniger amüsanter Anekdoten hinauswill, ist schwer zu fassen.

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1 Kommentar

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  • I
    ich

    Wäre Euch ein von der amerikanischen Rechten leicht als "elitär liberal-intellektuell" kritisierbares Propagandawerk lieber gewesen? Die primitive, Michael-Moore-befeuerte Variante des Antiamerikanismus haben wir mittlerweile doch bis zum Erbrechen durchexerziert.

     

    Was hat es 2004 genützt, dass Moore sein Fahrenheit-Pamphlet in den Wahlkampf geworfen hat? Außerdem gibt es ja die tollen Dokus von Adam Curtis und vieles andere mehr, was die Kritik von immer nur Bush wegbewegt und auf das eigentliche, ganz große Übel des Neoliberalismus lenkt, mehr noch: hebt. Dieser Film will nicht draufhauen, sondern versöhnen. Und das ist auch gut so.

     

    Wer diesen Film für zu geringe Schärfe und fehlende Einseitigkeit kritisiert, hat einfach den Anschluss an den Zeitgeist (pun intended) verpasst.