Vorwurf des Geheimnisverrats: Kritik an Ermittlungen gegen Reporter
Die Justiz ermittelt wegen der Veröffentlichung aus Ausschuss-Akten gegen zahlreiche Journalisten - auch einen der taz. FDP und Grüne sehen die Pressefreiheit bedroht.
BERLIN taz/dpa FDP und Grüne haben die Ermittlungsverfahren gegen Journalisten wegen des Vorwurfs des Geheimnisverrats kritisiert. Der FDP-Obmann im BND-Untersuchungsausschuss, Max Stadler, sagte am Freitag, man sei "über das Ziel hinausgeschossen". Nach Angaben des Grünen-Abgeordneten Hans-Christian Ströbele war bei dem Mehrheitsbeschluss des Ausschusses für die Ermittlungen erklärt worden, die Maßnahmen richteten sich nicht gegen Journalisten. Auch der Chefredakteur der "Frankfurter Rundschau", Uwe Vorkötter, übte scharfe Kritik.
Laut ARD ermittelt die Justiz gegen 17 Journalisten verschiedener Zeitungen und Magazine wegen des Vorwurfs, sie hätten aus vertraulichen und geheimen Akten des BND-Untersuchungsausschusses des Bundestages zitiert. In dem Ausschuss geht es um die Aktivitäten des Bundesnachrichtendienstes (BND) und anderer deutscher Sicherheitsbehörden im Kampf gegen den Terrorismus.
Stadler sagte im Bayerischen Rundfunk (BR), im Ausschuss habe es keine Entscheidung gegeben, dass speziell gegen Journalisten vorgegangen werden solle. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaften seien eine massive Behinderung der journalistischen Arbeit. Ströbele sagte der "Thüringer Allgemeinen", bei der Entscheidung im Ausschuss sei erklärt worden, die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zur Pressefreiheit würde berücksichtigt.
Der FDP-Politiker Stadler sagte, derjenige, der eine als geheim eingestufte Information an Journalisten weitergebe, mache sich zweifellos strafbar. "Dass solche Informationen von Journalisten verwendet werden, gehört aber meiner Meinung nach zu ihrer Aufgabe und sie haben die Pflicht, die Öffentlichkeit zu informieren." Eine Beihilfe zum Geheimnisverrat sei das nicht. "Der Gesetzgeber ist jetzt gefordert, eine Klarstellung im Gesetzbuch zu Gunsten der Pressefreiheit vorzunehmen." Im MDR sagte Stadler, Journalisten hätten das Recht, die Öffentlichkeit zu informieren. "Aus Sicht der FDP ist es ein Eingriff in die Pressefreiheit, wenn man daraus eine strafbare Handlung konstruiert."
"Frankfurter Rundschau"-Chefredakteur Vorkötter sagte dem "Kölner Stadt-Anzeiger": "Ich halte es für ein Ding der Unmöglichkeit, dass journalistische Recherche flächendeckend mit juristischen Sanktionen bedroht wird." "Journalisten leisten hier keine Beihilfe zum Geheimnisverrat. Sie leisten Beihilfe zur Aufklärung einer Affäre."
Die Staatsanwaltschaft Berlin hatte am Donnerstagabend Ermittlungen gegen mehrere Zeitungsautoren bestätigt. Nach ARD- Angaben ermitteln außerdem die Staatsanwaltschaften in München, Hamburg und Frankfurt am Main. Die Ermittlungen erfolgen laut Berliner Staatsanwaltschaft auf Anzeige von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU). Angestoßen wurden sie nach ARD-Informationen von Ausschusschef Siegfried Kauder (CDU).
Bei den Journalisten soll es sich unter anderem um fünf Redakteure des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" handeln, darunter Chefredakteur Stefan Aust. Betroffen seien auch Redakteure der "Süddeutschen Zeitung", der "Zeit", der "Frankfurter Rundschau", dem "Tagesspiegel", der "Berliner Zeitung", der "tageszeitung" und der "Welt". Eine Sprecherin der Berliner Staatsanwaltschaft sprach außerdem von der "Welt am Sonntag".
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