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DokumentationVorwürfe sofort klären

■ Jürgen Fuchs und Bärbel Bohley zum taz-Artikel „Alles Opfer; oder was?“

Der taz-Beitrag vom 1.12. 1994 „Alles Opfer; oder was?“ hat uns schockiert. Die behaupteten Zusammenhänge von einer Haftentschädigung für die KZ-Aufseherin Margot Kunz und der „Gedenkbibliothek für die Opfer des Stalinismus“ müssen sofort geklärt werden. Eine außerordentliche Versammlung der Mitglieder des Fördervereins sollte einberufen werden, um die Probleme, auch politisch und historisch, zu erörtern. Diese Auseinandersetzung muß öffentlich erfolgen und das Zeugnis von Überlebenden des KZ Ravensbrück, Außenlager Wittenberg und Belzig, einbeziehen.

Die Bibliothek wurde 1990/91 mit Unterstützung des Neuen Forums eingerichtet und sollte unterdrückte und verbotene Bücher sammeln und der Öffentlichkeit zugänglich machen. Vorgesehen waren auch Diskussionen und Lesungen, der Austausch mit Betroffenen und das Organisieren von Hilfe für Opfer. Ein Förderverein wurde gegründet, ehemalige Häftlinge, MfS-Verfolgte und verschiedene Personen der Öffentlichkeit beteiligten sich an der erfolgreichen Arbeit. Immer wieder kam es zu heftigen politischen Debatten. Zwei Diktaturen auf deutschem Boden, zwei verursachte Weltkriege, die Beteiligung an Massenmorden und Kriegsverbrechen, das gelebte und mitgeteilte Leid in Lagern, Gefängnissen und bei „Maßnahmen der Zersetzung“ brachten die ganze Wucht der Geschichte und der Biographien der einzelnen in die Auseinandersetzungen ein. Sehr klar betonten wir immer wieder die Notwendigkeit einer Nähe zu den Opfern der nationalsozialistischen und der stalinistischen Verfolgung. Jeder totalitären Haltung widersprachen wir.

Uns verbindet nichts mit SS- und KZ-Schergen, nichts mit schuldig gewordenen MfS- und SED-Tätern. Freilich wissen wir, wie fließend die Übergänge Täter-Opfer (und umgekehrt) mitunter sein können. Dies war und ist uns kein Anlaß zu moralischen Relativierungen, „Schlußstrich“- Debatten und versuchter Aktenvernichtung. Wenn Frau Pietzner mit der KZ-Aufseherin Margot Kunz identisch ist, die im Lager Wittenberg und später im KZ Belzig Häftlinge quälte, was wir nicht wußten, müssen sich daraus sofortige Konsequenzen ergeben. Dies gilt auch für Mitarbeiter und Vorstandsmitglieder, besonders dann, wenn sie belastende Details kannten und verschwiegen haben, Gelder annahmen usw.

Wir fragen an dieser Stelle auch den Autor der Reportage, Andreas Schreier, und die Wittenberger Forscherin Renate Gruber, seit wann sie von den Unterlagen der Kriminalpolizei aus dem Jahre 1946 wußten. Bärbel Bohley, Jürgen Fuchs, Berlin, 2.12. 1994

Anmerkungen der Redaktion:

1. Die Broschüre „Roederhof bei Belzig“, in dem Frau Margot Kunz als brutale KZ-Aufseherin genannt wird, liegt seit April 1993 in den brandenburgischen Gedenkstätten aus.

2. Die Verhörprotokolle der Wittenberger Kriminalpolizei fanden sich vor etwa drei Wochen in der sogenannten Gauck-Behörde.

3. Der Autor des Artikels Andreas Schreier hatte vor einigen Wochen versucht, mit Bärbel Bohley ein Gespräch über den Fall Kunz und ihr Verhältnis zur „Gedenkbibliothek“ zu führen. Das Gespräch wurde von Bärbel Bohley mit den Worten „ich möchte darüber nicht reden“ abgelehnt. Die Red.

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