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Vorwürfe gegen PflegedienstDer gute Ruf steht auf dem Spiel

Detamed-Chefin wehrt sich gegen Betrugsvorwürfe. Neuköllner Bezirksstadtrat hatte Unregelmäßigkeiten bei Abrechnungen angezeigt.

Dem Bezirk soll dem Stadtrat zufolge ein Schaden in Millionenhöhe durch falsche Abrechnungen mehrerer Pflegedienste entstanden sein. Bild: ap, Thomas Kienzle

Dass Nare Yesilyurt auch am Wochenende in ihrem Betrieb ist, ist nicht ungewöhnlich. Und auch nicht der Grund, warum die Neuköllner Unternehmerin sauer ist. Die Chefin des interkulturellen Pflegedienstes Detamed hat am Freitag aus den Medien erfahren, dass der Neuköllner Bezirksstadtrat für Soziales, Michael Büge (CDU), gegen ihre Firma Anzeige erstattet haben soll. Der Vorwurf: Unregelmäßigkeiten bei den Abrechnungen.

Schaden in Millionenhöhe soll dem Bezirk laut Stadtrat Büge durch falsche Abrechnungen mehrerer Pflegedienste entstanden sein. Das Bezirksamt übernimmt Pflegekosten, wenn die von der Pflegeversicherung bewilligten Summen für den tatsächlichen Bedarf nicht ausreichen und Mehrkosten von den PatientInnen nicht selbst bezahlt werden können. Gegen einen weiteren Pflegedienst hatte der Bezirk in der vergangenen Woche bereits Anzeige erstattet.

Dass jetzt auch ihr Unternehmen unter Betrugsverdacht gestellt wird, hält die Detamed-Chefin für "Rufmord". Während der Bezirk Ende letzter Woche Ermittlungen gegen ihr Unternehmen anstieß, habe sie am Donnerstag bei Sozialsenatorin Carola Bluhm (Linkspartei) ihre Firma vorgestellt, die wegen ihrer Familienfreundlichkeit und der Förderung von MigrantInnen bereits mehrfach ausgezeichnet wurde. 2008 erhielt Detamed für seine Bemühungen um Beschäftigung und Ausbildung von MigrantInnen einen Preis des Berliner Landesintegrationsbeirats. 2010 wurde Yesilyurt zu einer der Berliner Unternehmerinnen des Jahres gekürt und im gleichen Jahr als Teilnehmerin zum Integrationsgipfel der Bundesregierung geladen. "Und kürzlich war ein Kamerateam hier, das einen Film über erfolgreiche Unternehmer nichtdeutscher Herkunft dreht", erzählt sie. "Denen ist unser Betrieb als gutes Beispiel vom Bundeskanzleramt empfohlen worden."

Dass es schwarze Schafe im Pflegebereich gebe, sei nicht auszuschließen, sagt die Chefin von 230 MitarbeiterInnen: "Wir erleben manchmal, dass Patienten uns vorschlagen, statt der bewilligten weniger Pflegebesuche zu machen und ihnen dafür Geld auszuzahlen. Manche Betriebe machen so etwas wohl. Aber das betrifft nicht Detamed."

Dass Stadtrat Büge von "mafiösen Strukturen" bei Pflegediensten spricht, empört sie: "Das Bezirksamt sollte seine eigenen Arbeitsstrukturen prüfen", so die Unternehmerin. Sie präsentiert Beispiele für ihre Briefwechsel mit dem Neuköllner Sozialamt: Da geht es etwa um einen Patienten, der bereits seit Jahresbeginn von Detamed betreut wird - entsprechend dem für ihn ärztlich empfohlenen Pflegebedarf. Das Amt habe es acht Monate lang nicht geschafft, eine Begutachtung des Pflegebedürftigen vorzunehmen, um eigene Kostenzuschüsse festzulegen: "Wir pflegen den Patienten also seit acht Monaten auf unsere Kosten", erklärt Yesilyurt. In einem anderen Fall kürzte das Bezirksamt zunächst bewilligte - also erbrachte - Leistungen rückwirkend. Yesilyurts Beschwerde darüber wurde erst nach drei Monaten beantwortet - Begründung: "Ihr Schreiben gelangte versehentlich unbeantwortet in die Archivierung und geriet dadurch in Vergessenheit." Die Kostenübernahme lehnte das Amt dennoch ab.

Genau die Akten der Fälle, in denen sie sich über zu langsame Bearbeitung von Anträgen oder rückwirkende Leistungskürzungen beschwert habe, hätten Mitarbeiter des Bezirksamts bei einem Betriebsbesuch kürzlich kopiert, erzählt Yesilyurt. "Dass dabei Hinweise auf Abrechnungsbetrug festgestellt wurden, davon ist aber keine Rede gewesen", sagt die Unternehmerin, "ich weiß nicht, was mir jetzt vorgeworfen wird."

1999 gründete die heute 43-Jährige den Pflegedienst, der sich auf interkulturelle Pflege und Beschäftigungsförderung von Frauen und MigrantInnen spezialisiert hat. 60 Prozent ihrer MitarbeiterInnen sind Alleinerziehende, denen das Unternehmen familienfreundliche Arbeitszeiten bietet. 29 Auszubildende hat Detamed derzeit, "darunter viele Frauen mit Kindern", betont Yesilyurt, die die Probleme berufstätiger Mütter aus eigener Erfahrung kennt. Demnächst solle sie ihr Unternehmen deshalb in einer Podiumsdiskussion mit Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) präsentieren: "Ich stehe als preisgekrönte Unternehmerin in der Öffentlichkeit. Ich ruiniere doch nicht den guten Ruf meines Unternehmens, indem ich Abrechnungen fälsche!" Nare Yesilyurt hat ihren Anwalt bereits ermächtigt, eine Unterlassungserklärung von Stadtrat Büge zu verlangen.

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10 Kommentare

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  • S
    Schwester

    Viele die in Ihrem Leben es zu nichts bringen werden oder können machen es sich einfach, wenn Sie denken dass Sie in der TAZ oder sonst wo sich durch Kommentare wichtig machen dürfen. Ich persönlich würde nie Chef/in so einer Einrichtung werden wollen, den meine Zeit wäre mir zu kostbar rund um die Uhr erreichbar zu sein sogar an allen Wochenenden zu Arbeiten und sogar im Urlaub erreichbar zu sein, da denke ich sollte man auch gut verdienen können (Frau Yigit ;-)) die ich hiermit in aller Öffentlichkeit nochmals loben möchte.

    Ich bin selbst ein glückliche Mitarbeiterin dieses Betriebes, wo mir durch meine Chefin alle Türen offen stehen, weil Sie uns immer wieder zu (freiwilligen) Weiterbildungen drängt und uns wo Sie nur kann unterstützt, damit wir (meist Frauen mit Integrationshintergrund ) in Zukunft bessere Aufstiegs Chancen haben, so wie ca.250 weitere Mitarbeiter/innen die in Ihren Leben meist benachteiligt worden sind.

    Ich bin der Meinung das die Arbeit heutzutage wie eine Ehegemeinschaft funktioniert wo ich auch in schlechten Zeiten zu meinem Partner/in stehe und nicht wie manche mich trenne bzw. aussteige um wieder von vorne anfangen zu müssen und das fast ein Leben lang, das sollte nicht das Ziel eines klar denkenden Menschen sein,

    Es gibt nämlich gute und schlechte Zeiten und wir sind momentan in guten angelangt denke ich, den es wird jetzt Zeit wieder Probleme zu lösen und das ist gut so den es gibt wirklich einige schwarze Schafe wie in allen Branchen.

     

    Klar wird es auch endlich Zeit das man die Spreu vom Weizen trennen muss und das passiert auch bei uns zeit zu zeit den bei ca. 250 Mitarbeiter/innen hat man einige Kolleginnen denen es nicht bewusst ist wie wichtig Ihre Arbeitskraft in Wirklichkeit ist.

    Aber wenn man alles auf die Hauskrankenpflegen schiebt und ich weiß keiner möchte die Arbeit des anderen machen wollen und trotzdem machen es sich die Ämter alles viel zu einfach mit ihren Schuldzuweisungen den keine Einrichtung läuft unter diesen Vorraussetzungen reibungslos , diese Probleme sind schon seit Jahren Bundesweit bekannt. Die Ämter Entscheiden meist zu spät und zu mal auch falsch.

     

    Deshalb müssen endlich Gespräche stattfinden unter den Ämtern und den Pflegeeinrichtungen um gemeinsam Lösungen zu finden als nur öffentliche Schuldzuweisungen.

     

    Vielen Dank noch einmal an dieser stelle an die TAZ, denn jetzt haben Sie mindestens einen Leser mehr gewonnen.

  • XU
    xy ungelöst

    Hallo an alle klar denkenden mit Menschen und denen wie die ENTTÄUSCHTEN YIGIT´S erst einmal: Wie man in der Branche auch weiß gibt es überall Mitarbeiter/innen die Kränker sind als die Patienten selbst, die anstatt Probleme zu lösen selbst eins sind. Und in keiner Branche ist es wichtiger als in der Pflege dass man Qualitative und verlässliche Mitarbeiter/innen, braucht denn es geht hier um Hilfebedürftige kranke Menschen. Und man weiß auch dass man in dieser Branche es niemandem so recht machen kann, denn es ist schwer mit Menschen zu Arbeiten die Krank sind und mit denen kaum selbst die Angehörigen was zu tun haben möchten.

  • Y
    yberg

    hui,jetzt kommts ja knüppeldicke aber leider wenig konkret.bin neugierig

     

     

    alle zeitungen berlins stützen den mittelstand nur nicht die apothekenrundschau und die bäckerblume,die stützen alles.

     

    warum ausbeutung?

    hungerlöhne,lohnvorenthaltung,schwarzarbeit,willkürlichgekürzte stundenzahl...

     

    in punkto seriosität würde es mich ooch interessieren,was dagegen spricht.

     

    mit dreckshaufen kann ich schon garnix anfangen,da seh ich nur das häufchen vor mir beim ungeliebten hoffegen.

  • E
    Enttäuscht

    ...ich lese seit Jahren TAZ und bin zutiefst enttäuscht. Ich hätte nicht geglaubt, dass sich diese Zeitung vor den Karren spannen lässt und in diesem Falle einen Riesendreckshaufen zieht...ist der Schreiberin des Artikels bewusst, wen sie hier schützt und unterstützt? Ich behaupte, mit Sicherheit nicht.

    Diese Geschäftsführerin beutet nicht nur ihr Personal aus, sondern ist definitiv´, dass was man nicht als seriös betrachten kann. Die Leidtragenden sind ihre "Kunden"....besser mal erst recherchieren, bevor man bewertend schreibt ! Schade, ein Leser weniger

  • ET
    Erwin Thomasius

    Auf mich wirkt der taz-Artikel nicht wie Journalismus,

    sondern wie die Presseerklärung der Firma Detamed.

  • A
    aurorua

    Lange, lange, lange wundere ich mich schon das Pflege von Jahr zu Jahr teurer und teurer wird. Tagessätze von denen man im Kempinsky mit professioneller Begleitung plus gemeinsames Frühstück hausen könnte. Derweil die Kassen und die Ämter zahlen, zahlen, zahlen, anstatt jetzt, zukünftig und überall rigoros zu prüfen!!!

    "Denen ist unser Betrieb als gutes Beispiel vom Bundeskanzleramt empfohlen worden."

    Griechenland als EUROKANDIDAT mit Sicherheit auch...

    Dass Stadtrat Büge von "mafiösen Strukturen" bei Pflegediensten spricht, empört sie...

    Hut ab Herr Böge, auch wenn ich ihre Partei nicht wähle.

    Auch Krankenhäuser, Apotheken,Ärzte und Pharmaindustrie saugen das Solidarsystem schamlos aus, allein es fehlt der MUMM zu prüfen und strafrechtlich zu verfolgen.

  • Y
    yigit

    Die Dame,die angeblich unschuldig ist,sollte abwarten,bis die Ermittlungsverfahren abgeschlossen sind.Die besten Beweise sind doch die Klienten,die auch seit Jahren betrogen worden sind.

    Wie war es möglich innerhalb von 10 Jahren zu einem solchen Vermögen zu kommen?Alle Patienten,die von diesem Träger betreuut worden sind,sollen befragt werden.In fast allen Bezirken der Stadt ist dieser Träger im negativen Sinne in allermunde.Der Stadtrat muss hier uneingeschränkt unterstützt werden ,damit die Betrugsfälle aufgeklärt werden und die Schuldigen ihre gerechten Strafen bekommen.Ich bin sehr gespannt,wie groß die Leichen sind,die aus den Kellern herausgeholt werden.

  • L
    Leser

    Die Dame scheit sich sehr auf dem bisher Erreichten auszuruhen (Vortrag beim Minister, Auszeichnungen, Prämien...). Wer auf dem hohen Roß sitzt, kann aber auch tief fallen. Bin gespannt, was die Staatsanwaltschaft zu diesem Fall sagt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Verwaltungsmitarbeiter eine Anzeige schreiben, wenn nichts vorliegt...

  • SF
    Sissy Fuß

    "Bezirksamt Neukölln" - da habe ich keine Fragen mehr. Der Lautsprecher an der Spitze ist mit anderen Dingen beschäftigt, wie sollte er sich auch noch darum kümmern, seinen Laden in Ordnung zu halten?

  • Y
    yberg

    ooch ,schlecht beraten,ne einstweilige....ts,ts,ts...

    wie soll denn daß gehen,zumal der jetzt ne schutzschrift hinterlegen kann

     

    erst mal gaaaanz schlecht,auch negative schlagzeilen sind werbung.

     

    aber zu glauben,daß ein stadtrat so mir nix dir nix scheiße erzählt...

    eher gründet er seine behauptungen auf aussagen und hinweise der konkurrenz,im unfrieden gegangene und gegangenen mitarbeitern,unzufriedener kunden,unbeabsichtigte von den kassen angezeigte -unabsichtliche -fehlabrechnungen,die hamn bestimmt ne betrugssoftware,sonstigen verwechslungen usw.

     

    die eigene verläßlichkeit und ehrlichkeit mit irgendwelchen ämtern und verdiensten ums gemeinwohl und gar der nennung namen prominenter unter beweis stellen zu wollen is oberdämlich.

    gleichzeitig dann auch noch die kriminellen methohen der bösen konkurrenz genau zu benennen,ohne diese vorher angezeigt zu haben,fahrlässig.

     

    wenn ich erfolgreich in ner branche arbeite , die nen schlechten ruf hat und unter generalverdacht steht sollte ich erst mal die klappe halten und schnellstmöglich akteneinsicht erlangen und informell selbst oder durch vertreter die konkreten vorwürfe in erfahrung bringen.

     

    denen kann ich dann sachlich fundiert entgegentreten

     

     

    gleichzeitig sollte ich und dies ist unbedingt nötig,alle die mit meinem laden zu tun haben über die vorwürfe informierenm,je nach geschäftsbeziehung mehr oder weniger,aber nicht unschuldig sein wollen und rechthaben.

    darüberhinauseine laufende information in aussicht stellen und auch gewähren mit internet kein hexenwerk

     

    in dem stadium und auch noch eine woche vor unsrer wahl gegen das nicht unsündpatische bza neukölln,marktschreierischer hort des klarredens und starkdeutschen verwaltungshandelns zu keilen,

    is bekloppt

     

    unternehmer/innen müssen ab und an auch mal nix unternehmen..