Vorwürfe gegen IWF-Chef Strauss-Kahn: Hat er ein Alibi?
Am Montag wird Dominique Strauss-Kahn dem Haftrichter vorgeführt. Laut französischen Medien war er zur fraglichen Zeit mit seiner Tochter in New York. Seine Frau glaubt an ihn.
NEW YORK dapd/dpa | In der Affäre um einen angeblichen Vergewaltigungsversuch sind Berichte über ein Alibi von IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn aufgetaucht. Nach unbestätigten Berichten französischer Medien war der 62-Jährige zur mutmaßlichen Tatzeit gar nicht in dem Hotel, wo er angeblich ein Zimmermädchen zum Oralsex zwingen wollte. Eine DNA-Analyse sollte Klarheit bringen. Strauss-Kahn werden versuchte Vergewaltigung, sexueller Missbrauch und Nötigung vorgeworfen. Er bestreitet die Vorwürfe.
Der Franzose sollte in New York einem Richter vorgeführt werden, der über eine Freilassung auf Kaution entscheiden könnte. Nach der angeblichen Tat war Strauss-Kahn am Samstag kurz vor dem Abflug aus New York im Flugzeug festgenommen worden.
Informationen französischer Medien widersprechen der Darstellung der New Yorker Polizei vom Tatablauf. Laut der Zeitung Le Monde war Strauss-Kahn in New York, um seine Tochter zu treffen. Er habe seine Hotelrechnung um 12.28 Uhr bezahlt und sich anschließend mit ihr zum Essen getroffen. Die Polizei hatte nach CNN-Angaben dagegen erklärt, das Zimmermädchen habe die Suite Strauss-Kahns gegen 13 Uhr Ortszeit betreten, ohne zu wissen, dass sich dort jemand aufhalte. Anschließend habe der IWF-Chef die Frau dort attackiert.
Nach Informationen des Radiosenders RMC wollen Strauss-Kahns Anwälte demnächst Beweise für das Essen mit seiner Tochter vorlegen. Sie wollten außerdem argumentieren, dass das Zimmermädchen möglicherweise ein finanzielles Interesse gehabt habe, den IWF-Chef der versuchten Vergewaltigung zu beschuldigen.
Laut Le Monde fuhr Strauss-Kahn nach dem Essen mit seiner Tochter direkt zum Flughafen. Um 15.40 Uhr habe er für den Flug nach Paris eingecheckt, der eine Stunde später starten sollte. Das Ticket habe er lange im Voraus gebucht.
Der rechtsmedizinischen Untersuchung stimmte Strauss-Kahn nach Angaben seiner Anwälte freiwillig zu. Es soll unter anderem geprüft werden, ob sein Körper Kratzspuren aufweist oder ob er DNA-Spuren des mutmaßlichen Opfers an sich trägt, etwa unter den Fingernägeln.
Zimmermädchen identifiziert Strauss-Kahn
Das Zimmermädchen, das Dominique Strauss-Kahn sexuelle Belästigung vorwirft, hat den IWF-Chef offiziell als ihren Angreifer identifiziert. Das erklärte die New Yorker Polizei am Sonntag (Ortszeit) nach einer Gegenüberstellung. Die Verlesung der Anklageschrift, die eigentlich für Sonntagabend geplant war, wurde unterdessen auf Montag verschoben. Bei diesem Termin wird möglicherweise auch über eine Kaution entschieden.
Strauss-Kahns Anwalt William Taylor erklärte, die Suche nach Beweisen habe die Verlesung verzögert. "Unser Klient hat einer wissenschaftlichen und forensischen Untersuchung zugestimmt", sagte Taylor. Sein Mandant sei müde, aber es gehe ihm gut. Ein zweiter Anwalt, Benjamin Brafman, sagte, Strauss-Kahn werde auf nicht schuldig plädieren. Brafman ist einer der bekanntesten Strafverteidiger New Yorks. Er verteidigte bereits Prominente wie den Rapper Sean "P. Diddy" Combs und den früheren Star der New York Giants, Plaxico Burress.
Wie die New York Times unter Berufung auf nicht näher genannte Polizeiquellen berichtete, wollten die Ermittler zunächst eine gerichtliche Anordnung zur Untersuchung des Verdächtigen erwirken, bei der nach möglichen DNA-Spuren des angeblichen Opfers am Körper Strauss-Kahns gesucht werden sollte, etwa unter seinen Fingernägeln.
Sorge vor Flucht ins Ausland
Da sich abgezeichnet habe, dass der IWF-Chef gegen Kaution freikommen könnte, habe man befürchtet, dass er sich mit den möglichen Spuren an seinem Körper ins Ausland absetzten könne, hieß es.
Der Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) wurde weniger als vier Stunden nach dem mutmaßlichen Übergriff festgenommen. Die Polizei führte ihn aus einer Maschine der Air France mit Ziel Paris ab. Polizeisprecher Paul J. Browne erklärte, der 62-Jährige habe sein Hotel offenbar überstürzt verlassen und sogar sein Mobiltelefon zurückgelassen.
Strauss-Kahn soll sich nach Aussage der 32-Jährigen in seiner Hotelsuite nackt auf sie gestürzt und sie zum Oralsex gezwungen haben. Der Chef des Internationalen Währungsfonds wurde am Samstag in New York festgenommen.
Strauss-Kahns Ehefrau erklärte in einer Stellungnahme, sie glaube an seine Unschuld. Seine politischen Weggefährten und Parteikollegen in Frankreich reagierten schockiert auf die Nachricht der Festnahme.
Der Internationale Währungsfonds mit Sitz in Washington teilte mit, er bleibe voll funktionsfähig. Strauss-Kahns Stellvertreter John Lipsky übernahm vorläufig den Vorsitz der Organisation.
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