Vorwürfe gegen Berliner Polizisten: Widersprüchliche Aussagen

Polizeipräsidentin nimmt zur Durchsuchung einer betreuten Flüchtlingswohngruppe Stellung. Der Träger hatte schwere Vorwürfe gegen Polizisten erhoben.

Polizeipräsidentin Slowik und Innensenator Geisel (SPD) im April 2018 Foto: dpa

Die Polizei hat von Amts wegen ein Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte eingeleitet, die bei der Durchsuchung einer Jugendwohngruppe mehrere Bewohner verletzt haben sollen. Das bestätigte Polizeipräsidentin Barbara Slowik am Montag im Innenaussschuss des Abgeordnetenhauses. ­Inhaltlich bewertete sie diesen Vorgang nicht. Innensenator Andreas Geisel (SPD) sagte nach der Sitzung zur taz, es gelte den Ausgang des Verfahrens abzuwarten. „Insgesamt stellt sich der Sachverhalt aber anders dar als zunächst behauptet.“ Damit trat Geisel Darstellungen des Kinder- und Jugendhilfe Verbundes Berlin-Brandenburgs (KJHV) entgegen.

Die Polizeiaktion in der Jugendwohngruppe für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge hatte in den Morgenstunden des 9. Mai stattgefunden. Der KJHV, Träger der Einrichtung, hatte vergangene Woche wie berichtet schwere Vorwürfe gegen die Polizei erhoben: Durchsucht worden seien Räume, für die die Polizei keinen Durchsuchungsbeschluss gehabt habe. Dabei seien zwei unbeteiligte Jugendliche schwer misshandelt worden. Einer der beiden sei in einen Schrank mit einer Glastür geschleudert worden und habe im Krankenhaus zweimal operiert werden müssen.

Ein dritter Jugendlicher – der Einzige, dem der Durchsuchungsbeschluss gegolten habe – sei mit auf dem Rücken gefesselten Händen in ein Nachbarzimmer geschleift worden. Dabei habe er Schürfwunden am Kopf erlitten. Und das, obwohl sich der Jugendliche kooperativ verhalten und keinen Widerstand geleistet habe.

„Der Durchsuchungsbeschluss umfasste die ganze Wohnung“, trat Polizeipräsidentin Slowik am Montag der Darstellung des KJHV entgegen. Ihren Angaben zufolge handelte es sich um eine 6-Zimmer-Wohnung im 11. Stock eines Hochhauses in Lichtenberg. Zweck der Durchsuchung sei das Auffinden von Beweismitteln nach einem Straßenraub mit Waffen gewesen. Der 18-jährige Tatverdächtige, dem die Aktion gegolten hat, sei für die Polizei „kein unbeschriebenes Blatt“. Der junge Mann sei bereits wegen etlicher Gewalttaten und Angriffen auf die Polizei aufgefallen. In 140 Fällen lägen Eintragungen gegen ihn vor. Der Mann habe auch diverse falsche Identitäten genutzt.

13 Polizeibeamte beteiligt

Zur Sicherung der Beweismittel und zur Eigensicherung sei die Polizei schnell und gewaltsam in die Wohnung eingedrungen, so Slowik. Weder sei klar gewesen, wie viele Personen in der Wohnung waren, noch in welchem Raum sich diese befanden. Vorgefunden habe man vier Männer im Alter von 18 und 22 Jahren. Neben dem 18-Jährigen sei eine weitere in der Wohnung angetroffene Person zur Fahndung ausgeschrieben gewesen. Aufgefunden worden sei bei der Durchsuchung ein als Taschenlampe getarnter Elektroschocker.

Andreas Geisel, SPD, Innensenator

„Die Polizei bricht nicht einfach in eine betreute Wohnung ein“

Beteiligt an dem Einsatz waren insgesamt 13 Polizeibeamte. Sowohl der Vormund des 18-Jährigen als auch das Jugendamt seien im Vorfeld von dem Ermittlungsverfahren und dem Durchsuchungsbeschluss unterrichtet worden, erklärte Slowik. „Die Polizei bricht nicht einfach in eine betreute Wohnung ein“, betonte Geisel gegenüber der taz.

Der KJHV hatte in seiner Presseerklärung von letzter Woche darauf hingewiesen, dass der Durchsuchungsbeschluss bereits am 20. Dezember 2017 ausgestellt worden sei. Die Polizei habe am 19. April Kontakt zur Betreuerin des Jugendlichen und zu seinem Vormund aufgenommen und beide von der bevorstehenden Durchsuchung informiert. Umso fassungsloser sei man, dass die Polizei Wochen später unvermittelt und mit unverhältnismäßiger Gewaltanwendung in den Schutzraum der Jugendhilfe-Einrichtung eingedrungen sei. Nach Auffassung des KJHV sollten nur das Zimmer des dritten Jugendlichen und die Gemeinschaftsräume durchsucht werden. Weder sei es darum gegangen, einen Tatverdächtigen aufzugreifen, noch darum, den beschuldigten Bewohner festzunehmen, schrieb der Träger in seiner Stellungnahme.

Die Grünen-Abgeordnete June Tomiak forderte eine bessere Abstimmung zwischen der Senatsverwaltung für Jugend und der Polizei, um bei Einsätzen in Jugendhilfeeinrichtungen Schäden für Unbeteiligte zu vermeiden. „Ich erwarte von den beteiligten Behörden, dass hier Gespräche aufgenommen werden“, schrieb Tomiak in einer Presseerklärung. Auch die Frage nach der Verhältnismäßigkeit des Einsatzes sei noch zu klären. Die Ermittlungen dazu liefen allerdings noch.

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