Vorwürfe gegen BND: Wikipedia-Artikel angeblich geändert
Im Internet ist eine Liste mit IP-Adressen aufgetaucht, die vom BND stammen sollen. Von ihnen aus wurden Einträge im Online-Lexikon Wikipedia verändert.
BERLIN taz Die Vorstellung ist heilsam für überwachte Bürgerseelen: Dem Staat mit seinen eigenen Mitteln ein Schnippchen schlagen und ihn einmal selbst ausspionieren. Eine Liste mit IP-Adressen, die angeblich der Bundesnachrichtendienst verwendet, scheint dieses Ziel in greifbare Nähe zu bringen. Die Benutzer der IP-Adressen besuchten Webseiten der russischen Regierung und die eines Berliner Escortservices - und änderten den Wikipediaeintrag über den BND.
Veröffentlicht hat das Dokument, das aus Telekom-Unterlagen stammen soll, die Seite wikileaks.org. Auf ihr können User ungeprüft Inhalte veröffentlichen - ob das Dokument echt ist, ist also fraglich. Laut einem Bericht von heise online führten die whois-Abfragen, die den registrierten Nutzer anzeigen, zu der Domain BVOE.de. Diese Seite ist von einer Firma namens "Informationsbörse" registriert - als Adresse ist ein Münchner Postfach angegeben.
BND-Pressesprecher Stefan Borchert sagte der taz, man wolle Veröffentlichungen auf Seiten wie Wikileaks nicht kommentieren. "Dass Heise das nun aufgreift, macht die Sache auch nicht wahrer", sagte er.
Fest steht: Mit einigen der aufgelisteten IP-Adressen wurden Einträge in Wikipedia verändert. Mit dem Programm Wikiscanner lassen sich IPs darauf überprüfen, wann und wo von ihnen aus Einträge in der Online-Enzyklopädie editiert wurden. Im Artikel über den BND stand, es sei ein offenes Geheimnis, dass viele Auslandsniederlassungen des Goethe-Instituts verdeckte Büros des BND seien. Inzwischen ist die Information ins Gegenteil verkehrt: "Auslandsniederlassungen des Goethe-Instituts dienen jedoch nicht als inoffizielle Residenturen des BND". Geändert wurde dies von einer IP aus der veröffentlichten Liste. Auch Artikel über Kernwaffen wurden bearbeitet.
Laut Wikileaks hat T-Systems inzwischen die Adressen in verschiedene große Pools verschoben und so dafür gesorgt, dass sie anonymisiert werden. Zuvor soll sich T-Systems per Email mit Wikileaks in Verbindung gesetzt und darum gebeten haben, die Datei mit den IP-Adressen zu löschen. Diese Email bestätige die Echtheit der bis dahin geheimen IP-Adressen des BND, schreibt Wikileaks.
Fraglich ist, ob der BND tatsächlich so unvorsichtig mit seinen Spuren im Netz umgeht. Mit einer Umleitung über mehrere Server kann die ursprüngliche IP leicht verschleiert werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Berliner Kultur von Kürzungen bedroht
Was wird aus Berlin, wenn der kulturelle Humus vertrocknet?
Argentiniens Präsident Javier Milei
Schnell zum Italiener gemacht
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier