■ Vorwärts für NOlympia: Amsterdam-Syndrom
Die Olympia-Hysterie der Berliner Staatsmacht und der Springer-Presse ist zwei Tage vor der Demo gegen den IOC-Besuch auf dem Höhepunkt. Denn die Olympia-Fans wissen: Das „Konzept Imagebeschmutzung“, mit dem schon die Amsterdamer Linken ihre Stadt bei der Bewerbung für 1992 unmöglich gemacht hatten, könnte Berlin den Rest geben. Die Polizei hat einen lächerlichen „Lappenkrieg“ um NOlympia-Transparente angezettelt, und die B.Z. wittert „Bombenterror, der uns alle bedroht“ – gestern präsentierte das Blatt gar ein frischgewaschenes, allzu modisch vermummtes Bürgerkind als „Olympia-Feind Mike“. Der kündigte termin- und feindbildgerecht an: „Das wird ein Sonntag der Steine.“ Mit dieser Kriminalisierungsstrategie wird, erst recht vor dem Hintergrund des Hertie-Anschlags, Vorab-Distanzierung gefordert. Am besten maximal: Nicht zur Demo gehen. Das Bündnis 90 ist diesem Wunschbefehl eilfertig gefolgt. Das war dumm und überflüssig, denn der Distanzierungs-Rituale hat es schon genug gegeben bei der Diskussion um das Anti-Olympia-Video und Judith Demba. Innensenator Heckelmann dürfte laut jubiliert haben. Niemand weiß so gut wie er, daß beim Bündnis 90, der AL und der PDS keine Bombenstimmung ausgebrochen ist.
Amsterdam könnte auch in diesem Sinn ein Vorbild sein: Die dortige Sprecherin der Anti-Olympia-Bewegung, eine respektable Person in mittleren Jahren, distanzierte sich keineswegs prompt, als damals eine Bombe bei der „Stiftung Olympische Spiele“ hochging: „Uns selbst wäre so was zwar nicht in den Sinn gekommen, aber jetzt, wo es passiert ist, sind wir ganz froh darüber.“ So locker muß man das ja nicht unbedingt sehen. Gar nicht zu demonstrieren, würde aber bedeuten, den gelben Jubelbärlinern das Feld zu überlassen. In diesem Sinne sehen wir uns am Sonntag am Checkpoint Charlie. Hans-Hermann Kotte
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